In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor. Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Steffen Fritz, der für das Projekt "FotoQuest Go" verantwortlich ist. Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.
Mein Berufswunsch als Kind war:
Ich wollte einmal Erfinder werden, denn das hat mich so gereizt, etwas Neues zu entdecken. Ich habe immer experimentiert. Ich habe auch bei "Jugend forscht" mitgemacht und hatte die Idee der automatischen Drehung der Solarzellen zur Sonne, weil bei dieser Ausrichtung zur Sonne ist ja die Ausbeute maximal. Es hat aber niemand realisiert.
Wissenschaft ist für mich:
das Erforschen von neuen Dingen.
Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:
Neue Erkenntnisse zu finden, speziell zur Landnutzung und neue innovative Methoden zu nutzen, um Landnutzung und Veränderung der Landnutzung zu dokumentieren. So macht zum Beispiel Google Earth jetzt Fotos aus dem Weltall von der Erde.
Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:
Wir arbeiten daran, dass Datensätze ausgetauscht werden können, dass man sozusagen auch hier die gleiche Sprache spricht. Aber ich entdecke, dass was human intercompability betrifft, sehr wichtig ist und häufig Missverständnisse in der Kommunikation auftreten, auch in der Forschung, wenn Leute über etwas anderes reden, als sie wirklich meinen, oder wenn sie nicht genau die gleiche Sprache gelernt haben. Vor allem, wenn man multidisziplinär arbeitet, ist es ganz wichtig, dass man zuerst festlegt, worüber man redet und was man damit meint. Auch der Behavioural Change immer wichtiger, es ist wichtig, zu wissen, dass es mit dem Jobwachstum nicht einfach ewig weitergeht, oder dass es zum Beispiel in Richtung einer Shared Economy oder eine Ecological oder Circular Economy geht.
Spaß an der Arbeit macht mir:
Sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Interessen haben und neue Ideen zu entwickeln und an gemeinsam zu brainstormen, um neue Wege aufzuzeigen.
Diese Personen finde ich am faszinierendsten:
den Theologen Eugen Drewermann. Er hat alles naturwissenschaftlich hinterfragt und Theologie und Forschung zusammengebracht. Er hat Bücher über Bewusstsein, Natur und Umwelt geschrieben. 1992 ist ihm die Lehrerlaubnis entzogen worden von der katholischen Kirche.
Sie haben gesagt, dass Sie ursprünglich Erfinder werden wollten. Gab es da ein Schlüsselerlebnis?
Früher habe ich immer gerne gebastelt und da mit Elektronik gearbeitet, und etwas Neues zu entwickeln, hat immer Spaß gemacht. Eine Zweitklingel habe ich mal gebaut, damit es auch oben in unserem Wohnhaus läutet. Außerdem habe ich ein Gerät entwickelt, das einen sehr hohen Ton produziert, um Gelsen zu verscheuchen. Das hätte es zumindest sollen, aber ich weiß nicht mehr, ob es funktioniert hat. Das waren Elektronik-Bausätze, die verschiedene Funktionen erfüllt haben, auch den Fernseher habe ich auseinandergenommen.
Das hat Ihrer Familie sicher nicht so gut gefallen..
Das stimmt (lacht). Ich hatte überhaupt ein ganzes Elektronik-Labor. Die Hälfte hat funktioniert, die andere nicht.
Was würden Sie jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?
Er soll es machen, Forschung wird mehr und mehr gebraucht werden. Es gibt Jobs, die auch zukunftsfähig sind. Momentan gilt der Data Scientist als "most sexy job". Vor allem gibt es da zu wenig Frauen, wir können es ihnen empfehlen!
Wie sind Sie zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?
Das Interessante ist, dass wir 2008 schon Citizen Science gemacht haben, aber wir haben das damals einfach "Crowd- Sourcing" genannt. Damals haben wir das Geo-Wiki aufgebaut und es wurde ziemlich erfolgreich. Es dient dazu, dass jeder die geologische Situation klassifizieren kann: Ist das jetzt ein Wald? Was hat der Wald für Charakteristiken: gibt es vielleicht eine Straße im Wald, sieht man irgendwelche Einflüsse vom Menschen oder sieht man nichts? Diese Interpretation von Satellitenbilder, auch durch Laien, haben wir angefangen.
Haben viele mitgemacht?
Es haben ausreichend Leute mitgemacht, auch Studierenden. Unser Traum war, dass wir so ein Spiel zu machen wie "Pokemon Go".
Was sind die Vorteile von Citizen Science?
Es geht um einen Bewusstseinswandel. Wenn man Daten sammelt, ist man sich des Problems eher bewusst wie die Veränderung der Landschaft und des Wertes von Naturschutz. Aber es besteht nicht nur aus dem Daten sammeln, sondern die Leute sollen allumfassend das Problem verstehen und sich aktiv beteiligen, zum Beispiel scheinen die, die viele Daten beitragen, auch bei den Publikationen und als Co-Autoren bei den Papers auf. Sie können die Kommentare lesen und sich aktiv beteiligen. Auch die Kommentare fließen in die Publikationen ein.
Was sind denn die Ziele des Projektes "FotoQuest Go"?
Wir haben ja viel Daten gesammelt bezüglich Landnutzung über die Google Earth Applikation "Geo-Wiki". Durch diese kann man viel beantworten, aber nicht alles. Da ist es dann wichtig, hinauszugehen, zu diesen Punkten, und vor Ort nachzusehen. Wenn man erforschen will, welche Feldfrüchte wo angebaut werden, kann man das über Satellit nicht mehr genau sehen. Eurostat erhebt alle 3 Jahre die Landnutzung in Europa, das sind über 200 000 Punkte, die europaweit gesammelt werden, um statistisch zu erfassen, wie sich die Landnutzung über die Jahre verändert hat. An den bestimmten, definierten Punkten wird jeweils festgehalten, welche Landnutzung dort stattfindet. Den bezahlten DatenerheberInnen werden bestimmte Gebiete zugeteilt und die müssen dann zu dem Datenpunkt fahren. Die Idee war, kann man das ergänzen durch BürgerInnen, was können diese erheben, wofür sind sie geeignet, wenn man das vergleicht mit den offiziellen Daten, die alle drei Jahre von EUROSTAT erhoben werden? Wo ist die Qualität gut, wo kann man die Daten der BürgerInnen zur Ergänzung heranziehen? Wir haben schon das Ergebnis, dass BürgerInnen zum Beispiel gut erkennen können, ob das Land versiegelt ist, und ob es landwirtschaftliche Flächen sind. Beim Erkennen vom bestimmten Baumarten oder Feldfrüchten wird es schon schwieriger. Inwieweit kann man sie dazu bringen, das so gut zu machen, wie ein Offizieller? Wir haben eine App entwickelt wie "Pokemon Go". Man sieht dabei den Punkt in der Landschaft und kann diesem folgen. Grüne Punkte bedeuten, diese wurden bereits besucht, blaue Punkte noch nicht. Man sieht auf der Karte, wie weit man weg ist, und wie man am besten hinkommt. Wenn man am Punkt ist, wird man gefragt: Ist die Landschaft künstlich oder natürlich? Man sieht jeweils Bilder dazu und kann auswählen. Wenn die Landschaft künstlich ist, wird man gefragt, ob da Gebäude sind, oder landwirtschaftliche Flächen, dann ob Feldfrüchte oder Weideland sichtbar sind? Es gibt da immer einen Entscheidungsbaum. So kann man die Erhebung vereinfachen, aber relevante Daten bekommen.
Wie erreicht ihr denn die Leute?
Wir haben in Österreich einen ORF Beitrag in "Konkret" gehabt. Hier haben es viele Leute gesehen, und 130 Leute mitgemacht. Es waren auch ältere Leute, die sich beteiligt haben. Wir sind noch dabei, die Auswertung über die Altersverteilung zu machen. In Zukunft können wir uns vorstellen, auch jüngere Zielgruppen wie SchülerInnen verstärkt einzubinden.
Wie bringt ihr die Leute dazu, mitzumachen?
Fotoquest ist eine App von "CrowdLand". Wir haben viele visuelle Interpretation gemacht, auch eine App "Picture Pile": da kann man Bilder sortieren. Man wird gefragt, gibt es hier Landwirtschaft: ja/nein? Alles war gamifiziert. Wir haben da einige Apps gemacht und verschiedene Anreize getestet: Preise, Punkte oder kleine Mikro-Beträge. Mit den Mikro-Payments bekommen wir eine viel bessere Verteilung, mit kleinen Anreizen (hier 1 € pro Punkt) beteiligen sich mehr Leute daran. Die Kampagnen waren meist im Sommer, und zuletzt hat die dritte Kampagne stattgefunden. Wir denken, das 50% der Beiträge so gut sind wie die offizielle Erhebung. Wir sehen das Bild und die Beschreibung, und ob die Person wirklich zu dem Punkt gekommen ist anhand der GPS-Daten. Wir geben dann zeitnahes Feedback an die Leute. Wir möchten sie dazu bringen, noch besser zu werden, um die Qualität zu erhöhen. Wir kommunizieren ihnen zum Beispiel, das war gut, aber du könntest dies und jenes noch besser machen.
Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Das war, an die Menschen heranzukommen, das Projekt gut zu kommunizieren. Es gibt viel Konkurrenz, Fernsehen, Videospiele. Die Leute rauszukriegen in die Natur und das zu tun, ist nicht einfach. Die größte Motivation an der Teilnahme, war, etwas zur Forschung beitragen zu können und an zweiter Stelle, dass sie dafür auch noch eine kleine Belohnung bekommen.
Herzlichen Dank für das Interview!
Mehr Informationen zum Projekt FotoQuest Go: https://www.citizen-science.at/projekte/fotoquest-go
Rückfragehinweis:
Steffen Fritz
EOCS Center Head and Deputy Program Director
Ecosystems Services and Management
+43(0) 2236 807 353
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