Ein Bericht zum Workshop „Kooperieren oder nicht kooperieren?“ während der Österreichischen Citizen Science Konferenz 2018
Kooperation ist das Kernstück von Citizen Science. BürgerInnen kooperieren mit ForscherInnen, um wissenschaftliche Fragestellungen in einem Projekt zu beantworten. Derartige Projekte im Bereich Bürgerwissenschaften gibt es viele. Im Vordergrund dieser Projekte steht häufig die Sammlung von Daten, sei es Sichtungen von verschiedenen Tier- oder Pflanzenarten oder die Meldung von Vorkommnissen in der Lebenswelt des Menschen. In manchen Projekten werden auch Meldungen gemacht, die für ein anderes Projekt von Relevanz sein können. Einige Projekte behandeln ein Subthema eines anderen Projekts. So z.B. werden in Projekten, die sich auf eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart konzentrieren, auch Daten gesammelt, die für Projekte, die sich mit Biodiversität im Allgemeinen beschäftigen, von Bedeutung sind. Es läge also nahe, derartige Projekte zu kombinieren bzw. eine Kooperation anzubahnen.
Warum sollten Citizen-Science-Projekte kooperieren?
Welche Gründe für oder gegen eine derartige Kooperation zwischen Projekten oder für oder gegen eine Kombination von Projekten sprechen und welche Formen der Kooperation überhaupt möglich sind, standen beim Workshop „‘Kooperieren oder nicht kooperieren?‘ – das ist hier die Frage. Wie kann Zusammenarbeit und Austausch zwischen Citizen-Science-Projekten gelingen?“ während der Österreichischen Citizen Science Konferenz 2018 (ÖCSK 2018) im Mittelpunkt.
Workshop zum Thema Zusammenarbeit zwischen Projekten
An dem Workshop im Rahmen der ÖCSK 2018 nahmen ca. 20 Personen teil. Die Anwesenden stammten überwiegend aus Österreich. Vertreten waren auch ForscherInnen aus Deutschland und der Schweiz. Obwohl die überwiegende Mehrheit der TeilnehmerInnen als ProjektleiterInnen oder -mitarbeiterInnen in naturwissenschaftlichen Citizen-Science-Projekten tätig war, so gab es auch einige sozial- und geisteswissenschaftliche Projekte. An fünf Tischen wurden die Formen der Kooperation, Schnittstellen zwischen Projekten, Vor- und Nachteile der Kooperation, mögliche Hinderungsgründe, Plattformen zum Austausch sowie die Rahmenbedingungen der Kooperation zwischen Citizen-Science-Projekten diskutiert.
Im Zentrum sämtlicher Diskussionen stand die Frage: „Wie kann die Kooperation zwischen Citizen-Science-Projekten gelingen?“
Kooperationsformen sowie Vor- und Nachteile der Zusammenarbeit
Es wurden diverse Formen der Kooperation erkannt, z.B. der Austausch von Best Practices, Daten oder Software, die Beantragung von gemeinsamen Projekten, sowie das gemeinsame Anwerben von TeilnehmerInnen.
Zu den genannten Vorteilen zählten u.a. sich ergänzende Kompetenzen und Blickwinkel, die Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur, eine höhere Sichtbarkeit der Einzelprojekte und damit eine größere Reichweite und Relevanz der Projekte. Allerdings können diese Vorteile laut der TeilnehmerInnen auch zu Nachteilen werden. Denn unterschiedliche Perspektiven und andere Wissenshintergründe der ProjektmitarbeiterInnen können auch zu Kommunikationsschwierigkeiten, schwer erreichbaren Kompromissen, Verlust der Flexibilität und mehr administrativem Aufwand führen. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die Projekte auch in ständiger Konkurrenz zueinanderstehen. Interessant war auch, dass manche Anwesenden die Zusammenarbeit mit anderen Citizen-Science-Projekten deswegen kritisch sehen, weil sie sich damit selbst als WissenschafterIn wegrationalisieren, d.h. ihre eigene Stelle als ForscherIn gefährden würden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für die WorkshopteilnehmerInnen Kooperation vor allem in Form des Erfahrungsaustausches und des Aufzeigens von guten Beispielen im Bereich Citizen Science gewünscht ist. Dies kann über Plattformen, Arbeitsgruppen, Stammtische, Konferenzen oder wissenschaftliche Partnerbörsen erfolgen.
Durch den Workshop konnten erste Anhaltspunkte für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Citizen-Science-Projekten gewonnen werden, die mögliche strategische Maßnahmen im Bereich der Kooperation zwischen Projekten unterstützen können.
Zwei der anwesenden Personen hatten noch nachträgliche Ergänzungen zu diesem Workshopbericht. Der gemeinsame Nenner dieser Anmerkungen ist die untergeordnete Rolle von Citizen Scientists in von WissenschafterInnen geleiteten Projekten.
So bemerkte Gotthard Weiß, Diplom-Biersommelier und Initiator von ScienceGoesBeer, dass Citizen Science derzeit überwiegend aus Sicht der Universitäten bzw. der ForscherInnen betrachtet wird. Citizen Scientists werden oftmals nur als Mittel zum Zweck und nicht als gleichwertige Forschungspartner angesehen. Um die Rolle der Citizen Scientists zu stärken, könnten BürgerwissenschafterInnen auch die Funktion der Projektleitung übernehmen. Außerdem wird häufig außer Acht gelassen, dass BürgerInnen bereits selbst jahrelang Forschungsfragen unter Einhaltung der wissenschaftlichen Methodik nachgegangen sein können, manchmal besser und manchmal schlechter. Darüber hinaus könnten Citizen-Science-Projekte über Spenden, Crowd-Funding oder Konsumentenvereine finanziert werden. Es besteht laut Gotthard Weiß noch Ausbaubedarf bei der Akzeptanz von BürgerInnen in Citizen-Science-Projekten.
Thomas Palfinger von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bemerkte wiederum, dass das Ziel von Citizen Science maßgeblich dafür ist, welche Best Practices zur Anwendung kommen können. Unterschiedliche Ziele erfordern (gänzlich) andere Best Practices: Was soll Citizen Science bewirken? Steht die Methode oder die Partizipation im Vordergrund? Gelten andere ethische Standards im Bereich Citizen Science? Thomas Palfinger führte aus, dass ein gemeinsames Problemverständnis bzw. die Definition eines gemeinsamen Ziels von Citizen Science unabdingbar sei. Eine Kooperation zwischen Citizen-Science-Projekten wäre vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Crowd und Methode erforderlich. Citizen Science würde es auch zulassen, aus der aktuellen Projekt- und Förderlogik auszubrechen. BürgerInnen sollte es daher ermöglicht werden, in den Forschungsprozess eingebunden zu werden und das Projekt nach Projektende auf freiwilliger Basis fortzuführen. Das bedeutet, den Top-Down-Ansatz aufzubrechen und der Bringschuld der Wissenschaft gegenüber den BürgerInnen gerecht zu werden. Diese Bringschuld umfasst nicht nur die verständliche Aufbereitung von Ergebnissen, sondern auch von Daten. Außerdem könnte Citizen Science das Denken in Disziplinen aufheben. In vielen Projekten ginge es schließlich um das Sammeln von Daten (mittels einer App) und der Annotation dieser Daten, meinte Thomas Palfinger. All diese Projekte könnten dieselbe Infrastruktur, eine gemeinsame Crowd und ein ähnliches Methodenrepertoire nutzen. Nur so kann Partnerschaft auf Augenhöhe gelingen.
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