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Mittwoch, 06 März 2019 08:16

Science Interview mit Eva: Steffen Fritz

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor. Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Steffen Fritz, der für das Projekt "FotoQuest Go" verantwortlich ist. Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

 

Mein Berufswunsch als Kind war:

Ich wollte einmal Erfinder werden, denn das hat mich so gereizt, etwas Neues zu entdecken. Ich habe immer experimentiert. Ich habe auch bei "Jugend forscht" mitgemacht und hatte die Idee der automatischen Drehung der Solarzellen zur Sonne, weil bei dieser Ausrichtung zur Sonne ist ja die Ausbeute maximal. Es hat aber niemand realisiert.

Wissenschaft ist für mich:

das Erforschen von neuen Dingen.

Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:

Neue Erkenntnisse zu finden, speziell zur Landnutzung und neue innovative Methoden zu nutzen, um Landnutzung  und Veränderung der Landnutzung zu dokumentieren. So macht zum Beispiel Google Earth jetzt Fotos aus dem Weltall von der Erde.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Wir arbeiten daran, dass Datensätze ausgetauscht werden können, dass man sozusagen auch hier die gleiche Sprache spricht. Aber ich entdecke, dass was human intercompability betrifft, sehr wichtig ist und häufig Missverständnisse in der Kommunikation auftreten, auch in der Forschung, wenn Leute über etwas anderes reden, als sie wirklich meinen, oder wenn sie nicht genau die gleiche Sprache gelernt haben. Vor allem, wenn man multidisziplinär arbeitet, ist es ganz wichtig, dass man zuerst festlegt, worüber man redet und was man damit meint. Auch der Behavioural Change immer wichtiger, es ist wichtig, zu wissen, dass es mit dem Jobwachstum nicht einfach ewig weitergeht, oder dass es zum Beispiel in Richtung einer Shared Economy oder eine Ecological oder Circular Economy geht.

Spaß an der Arbeit macht mir:

Sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Interessen haben und neue Ideen zu entwickeln und an gemeinsam zu brainstormen, um neue Wege aufzuzeigen.

Diese Personen finde ich am faszinierendsten:

den Theologen Eugen Drewermann. Er hat alles naturwissenschaftlich hinterfragt und Theologie und Forschung zusammengebracht. Er hat Bücher über Bewusstsein, Natur und Umwelt geschrieben. 1992 ist ihm die Lehrerlaubnis entzogen worden von der katholischen Kirche.

 

Persönlicher Hintergrund

Sie haben gesagt, dass Sie ursprünglich Erfinder werden wollten. Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Früher habe ich immer gerne gebastelt und da mit Elektronik gearbeitet, und etwas Neues zu entwickeln, hat immer Spaß gemacht. Eine Zweitklingel habe ich mal gebaut, damit es auch oben in unserem Wohnhaus läutet. Außerdem habe ich ein Gerät entwickelt, das einen sehr hohen Ton produziert, um Gelsen zu verscheuchen. Das hätte es zumindest sollen, aber ich weiß nicht mehr, ob es funktioniert hat. Das waren Elektronik-Bausätze, die verschiedene Funktionen erfüllt haben, auch den Fernseher habe ich auseinandergenommen.

Das hat Ihrer Familie sicher nicht so gut gefallen..

Das stimmt (lacht). Ich hatte überhaupt ein ganzes Elektronik-Labor. Die Hälfte hat funktioniert, die andere nicht.

Was würden Sie jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?

Er soll es machen, Forschung wird mehr und mehr gebraucht werden. Es gibt Jobs, die auch zukunftsfähig sind. Momentan gilt der Data Scientist als "most sexy job". Vor allem gibt es da zu wenig Frauen, wir können es ihnen empfehlen!

 

Zum Projekt Fotoquest Go

Wie sind Sie zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?

Das Interessante ist, dass wir 2008 schon Citizen Science gemacht haben, aber wir haben das damals einfach "Crowd- Sourcing" genannt. Damals haben wir das Geo-Wiki aufgebaut und es wurde ziemlich erfolgreich. Es dient dazu, dass jeder die geologische Situation klassifizieren kann: Ist das jetzt ein Wald? Was hat der Wald für Charakteristiken: gibt es vielleicht eine Straße im Wald, sieht man irgendwelche Einflüsse vom Menschen oder sieht man nichts? Diese Interpretation von Satellitenbilder, auch durch Laien, haben wir angefangen.

Haben viele mitgemacht?

Es haben ausreichend Leute mitgemacht, auch Studierenden. Unser Traum war, dass wir so ein Spiel zu machen wie "Pokemon Go".

Was sind die Vorteile von Citizen Science?

Es geht um einen Bewusstseinswandel. Wenn man Daten sammelt, ist man sich des Problems eher bewusst wie die Veränderung der Landschaft und des Wertes von Naturschutz. Aber es besteht nicht nur aus dem Daten sammeln, sondern die Leute sollen allumfassend das Problem verstehen und sich aktiv beteiligen, zum Beispiel scheinen die, die viele Daten beitragen, auch bei den Publikationen und als Co-Autoren bei den Papers auf. Sie können die Kommentare lesen und sich aktiv beteiligen. Auch die Kommentare fließen in die Publikationen ein.

Was sind denn die Ziele des Projektes "FotoQuest Go"?

Wir haben ja viel Daten gesammelt bezüglich Landnutzung über die Google Earth Applikation "Geo-Wiki". Durch diese kann man viel beantworten, aber nicht alles. Da ist es dann wichtig, hinauszugehen, zu diesen Punkten, und vor Ort nachzusehen. Wenn man erforschen will, welche Feldfrüchte wo angebaut werden, kann man das über Satellit nicht mehr genau sehen. Eurostat erhebt alle 3 Jahre die Landnutzung in Europa, das sind über 200 000 Punkte, die europaweit gesammelt werden, um statistisch zu erfassen, wie sich die Landnutzung über die Jahre verändert hat. An den bestimmten, definierten Punkten wird jeweils festgehalten, welche Landnutzung dort stattfindet. Den bezahlten DatenerheberInnen werden bestimmte Gebiete zugeteilt und die müssen dann zu dem Datenpunkt fahren. Die Idee war, kann man das ergänzen durch BürgerInnen, was können diese erheben, wofür sind sie geeignet, wenn man das vergleicht mit den offiziellen Daten, die alle drei Jahre von EUROSTAT erhoben werden? Wo ist die Qualität gut, wo kann man die Daten der BürgerInnen zur Ergänzung heranziehen? Wir haben schon das Ergebnis, dass BürgerInnen zum Beispiel gut erkennen können, ob das Land versiegelt ist, und ob es landwirtschaftliche Flächen sind. Beim Erkennen vom bestimmten Baumarten oder Feldfrüchten wird es schon schwieriger. Inwieweit kann man sie dazu bringen, das so gut zu machen, wie ein Offizieller? Wir haben eine App entwickelt wie "Pokemon Go". Man sieht dabei den Punkt in der Landschaft und kann diesem folgen. Grüne Punkte bedeuten, diese wurden bereits besucht, blaue Punkte noch nicht. Man sieht auf der Karte, wie weit man weg ist, und wie man am besten hinkommt. Wenn man am Punkt ist, wird man gefragt: Ist die Landschaft künstlich oder natürlich? Man sieht jeweils Bilder dazu und kann auswählen. Wenn die Landschaft künstlich ist, wird man gefragt, ob da Gebäude sind, oder landwirtschaftliche Flächen, dann ob Feldfrüchte oder Weideland  sichtbar sind? Es gibt da immer einen Entscheidungsbaum. So kann man die Erhebung vereinfachen, aber relevante Daten bekommen.

Wie erreicht ihr denn die Leute?

Wir haben in Österreich einen ORF Beitrag in "Konkret" gehabt. Hier haben es viele Leute gesehen, und 130 Leute mitgemacht. Es waren auch ältere Leute, die sich beteiligt haben. Wir sind noch dabei, die Auswertung über die Altersverteilung zu machen. In Zukunft können wir uns vorstellen, auch jüngere Zielgruppen wie SchülerInnen verstärkt einzubinden.

Wie bringt ihr die Leute dazu, mitzumachen?

Fotoquest ist eine App von "CrowdLand". Wir haben viele visuelle Interpretation gemacht, auch eine App "Picture Pile": da kann man Bilder sortieren. Man wird gefragt, gibt es hier Landwirtschaft: ja/nein? Alles war gamifiziert. Wir haben da einige Apps gemacht und verschiedene Anreize getestet: Preise, Punkte oder kleine Mikro-Beträge. Mit den Mikro-Payments bekommen wir eine viel bessere Verteilung, mit kleinen Anreizen (hier 1 € pro Punkt) beteiligen sich mehr Leute daran. Die Kampagnen waren meist im Sommer, und zuletzt hat die dritte Kampagne stattgefunden. Wir denken, das 50% der Beiträge so gut sind wie die offizielle Erhebung. Wir sehen das Bild und die Beschreibung, und ob die Person wirklich zu dem Punkt gekommen ist anhand der GPS-Daten. Wir geben dann zeitnahes Feedback an die Leute. Wir möchten sie dazu bringen, noch besser zu werden, um die Qualität zu erhöhen. Wir kommunizieren ihnen zum Beispiel, das war gut, aber du könntest dies und jenes noch besser machen.

Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

Das war, an die Menschen heranzukommen, das Projekt gut zu kommunizieren. Es gibt viel Konkurrenz, Fernsehen, Videospiele. Die Leute rauszukriegen in die Natur und das zu tun, ist nicht einfach. Die größte Motivation an der Teilnahme, war, etwas zur Forschung beitragen zu können und an zweiter Stelle, dass sie dafür auch noch eine kleine Belohnung bekommen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Mehr Informationen zum Projekt FotoQuest Go: https://www.citizen-science.at/projekte/fotoquest-go

Rückfragehinweis:

Steffen Fritz
EOCS Center Head and Deputy Program Director
Ecosystems Services and Management
+43(0) 2236 807 353
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor. Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Ulrike Zartler und Raphaela Kogler, die zusammen mit Marlies Zuccato-Doutlik für das Projekt "SMILE" verantwortlich sind. Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

 

Mein Berufswunsch als Kind war:

Ulrike Zartler (lacht): Kinderpsychologin.

Raphaela Kogler: Meiner auch! Psychologin zumindest.

Ulrike Zartler: Ich habe immer die Erziehungsratgeber meiner Mutter gelesen und immer ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich mir gedacht habe, so was dürfen Kinder sicher nicht lesen. Da habe ich mir gedacht, super, das ist interessant. Das möchte ich werden.

Raphaela Kogler: Bei mir war es der Zusammenhang zwischen den Gefühlen und dem rationalen Denken, wie das zusammenspielt.

Wissenschaft ist für mich:

Ulrike Zartler: Neue Welten entdecken.

Raphaela Kogler: Eine Herausforderung, um das Wissen auch wieder in die Gesellschaft zurückzuspiegeln.

Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:

Raphaela Kogler: Die Arbeit im Feld, also mit den Kindern in dem Projekt, mit Jugendlichen, Familien zu arbeiten.

Ulrike Zartler: Da kann ich mich nur anschließen.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Ulrike Zartler: Kinderarmut abschaffen.

Raphaela Kogler: Gleichberechtigung auf vielen Ebenen erzielen: zwischen Kindern und Erwachsenen, Armen und Reichen, also auf mehreren Ebenen.

Spaß an der Arbeit bedeutet für mich:

Ulrike Zartler: Was das Projekt betrifft: in die Klassen gehen und von den Kindern dort herzlich empfangen werden. Die Kinder freuen sich immer sehr, wenn wir kommen.

Raphaela Kogler: Auch Spaß und Freude an neuen, unerwarteten Ergebnissen.

Diese Personen finde ich am faszinierendsten:

Ulrike Zartler: Astrid Lindgren, weil ich ihren Zugang zu Kindern großartig finde. Sie ist so ganz anders als die pädagogische Zeigefinger-Literatur, die vorgegeben hat, Kinder unterhalten zu wollen, aber sie eigentlich erziehen wollte. Astrid Lindgren war da eine wohltuende Ausnahme.

Raphaela Kogler: So eine schwierige Frage: in den Sozialwissenschaften finde ich zum Beispiel Erving Goffmann sehr faszinierend, weil er versuchte, hinter Interaktionen zu blicken und er uns quasi eine Anleitung gibt, wie wir das tun können.

 

Persönlicher Hintergrund

Wann wussten Sie, dass Sie Wissenschaftlerin werden wollen?

Raphaela Kogler: Ich wusste es nicht gleich. Durch das sozial- und bildungswissenschaftliche Studium wusste ich, dass die WissenschaftlerInnen, die die Grundlagen schaffen, großartig sind. Zuerst also durchs Studium, dann durch erste Forschungs- und Lehrererfahrung. Ich wusste, dass ich auf jedem Fall in dem Kinderbereich bleiben und forschen möchte.

Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Raphaela Kogler: Im Studium zu sehen, wie SozialwissenschaftlerInnen für ihre Arbeit brennen, hat bei mir abgefärbt, natürlich aber nicht an einem Tag, sondern das waren auch viele verschiedene Personen.

Ulrike Zartler: Der Wunsch, in die Wissenschaft zu gehen, kam bei mir während des Studiums. Schlüsselerlebnisse hatte ich zwei, aber teilweise bereits viel früher: einerseits, als ich von einer Nachbarin befragt worden bin, die Psychologie studiert hat. Ich fand das super und dachte, so etwas will auch gerne machen! Das war so ein ganz klassischer Fragebogen, den man heute wahrscheinlich kritisieren würde. Aber ich habe das faszinierend gefunden, wie das strukturiert war und dass es interessant ist für sie, was ich dazu zu sagen habe. Das zweite war tatsächlich an der Uni ein bestimmtes Seminar, wo ich gedacht habe, einfach großartig! Kinder- und Jugendsoziologie gab es damals nicht an der Uni. Ich war im ersten Familiensoziologie-Seminar, das an der Universität stattgefunden hat und ich habe gedacht, ich würde da gern zu jedem Thema dort ein eigenes Seminar machen.

Was würden Sie jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?

Ulrike Zartler: Ich würde sagen, dass es faszinierend ist, und mit sehr viel Freiheiten verbunden. Ich glaube, das ist ein unglaubliches Privileg, sich den Forschungsbereich aussuchen zu können und zu den Themen zu arbeiten, die einen wirklich interessieren und die man als gesellschaftlich und wissenschaftlich relevant betrachtet. Natürlich gibt es auch in der Wissenschaft Zwänge, was die Arbeitsverhältnisse betrifft. Wer ab dem ersten Job eine unbefristete Vollzeit-Anstellung haben will, der hat es in der Wissenschaft schwierig.

Raphaela Kogler: Ich finde, er/sie soll es tun, weil es gibt noch so viel zu erforschen, gerade in den Sozialwissenschaften. Man soll es tun und probieren, aber man muss es sich auch trauen. Man muss da auch ein bisschen reinwachsen und dafür brennen, und den untypischen Arbeitsprozessen Zeit geben.

 

Zum Projekt

Wie sind Sie zum ersten Mal mit Citizen Science-Projekten in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?

Ulrike Zartler: Früher hat das nicht Citizen Science geheißen, aber für mich war das schon immer etwas, das ich in meinen Projekten berücksichtigt habe. Ich habe noch nie ein Faible gehabt für Forschung im Elfenbeinturm. Ich habe immer versucht, Anknüpfungspunkte zu finden, wo die gesellschaftliche Relevanz des Themas liegt: Welche Personen haben etwas davon? Ich habe immer den Kontakten gesucht zu unterschiedlichen Stakeholdern. Es ist auch ein forschungspolitischer Aspekt von Wissenschaft: wenn man öffentliche Gelder dafür verwendet, um die eigene Forschung zu machen, dann ist es wichtig, auch etwas davon zurückzugeben, was auch abseits von einem Fachpublikum verstanden wird und Relevanz hat.

Raphaela Kogler: Ich sehe es ähnlich. In den Sozialwissenschaften ist es ganz selten nur eine Forschung über jemanden, sondern immer auch für jemanden. Man will den Leuten auch etwas zurückgeben und sie nicht allein lassen mit wissenschaftlichen Ergebnissen, die nicht übersetzt sind und die ihnen nichts bringen. Das können Handlungsempfehlungen sein in manchen Projekten oder Broschüren für jene, um die es geht.

Was sind denn die Ziele des Projektes „Smile“?

Ulrike Zartler: "Smile" steht für "Scheidung mit Illustrationen erforschen". Ausgangspunkt war der Gedanke, dass Scheidung ein Thema ist, das prinzipiell alle Kinder in irgendeiner Form betrifft, selbst wenn es nicht die eigenen Eltern sind, die sich scheiden lassen, sondern etwa die Eltern der besten Freundin bzw. des besten Freundes. Gleichzeitig ist dieses Thema mit sozialwissenschaftlichen Methoden schwierig zu erforschen, weil es eine sensible Thematik ist, über die nicht viel gesprochen wird. Unser Interesse war, wird das Thema unter Kindern thematisiert und in welcher Form? Die Frage war auch: Wie machen wir das Thema besprechbar? Wir haben dazu eine neue Methode für die Sozialwissenschaften adaptiert: Von uns wurden Concept-Cartoons gemeinsam mit den Kindern entwickelt und eingesetzt. Diese dienten ursprünglich dazu, um naturwissenschaftliche Phänomene mit Kindern im Rahmen des Unterrichts zu diskutieren, und wir wollten sehen, ob das auch mit einem sozialwissenschaftlichen Thema funktioniert.

Raphaela Kogler: Ein Ziel des Projekts ist auch, Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema zu erstellen,  die dann öffentlich über die Sparkling Science Website und unsere Website zugänglich sein sollen und dort open source zum Download zur Verfügung stehen.

Wie lange ist das Projekt insgesamt geplant?

Ulrike Zartler: Bis 31.8.2019. Dann muss alles fertig sein, inklusive Unterrichtsmaterialien. Wir arbeiten seit einem Jahr an dem Projekt und machen sogenannte "Forschungswerkstätten" mit den Kindern  von vier Volksschulklassen - zwei in Wien, zwei in Tirol - somit in einem Gebiet mit der österreichweit höchsten Scheidungsrate und in einem mit der niedrigsten Scheidungsrate. Der Anspruch war, die Unterlagen partizipativ mit den Kindern zu entwickeln, und diesen so die Möglichkeit zu bieten, sich aktiv einzubringen.

Wie erreichen Sie die Zielgruppen Ihres Projektes?

Ulrike Zartler: Hauptgruppe sind die Kinder, aber neben diesen Forschungswerkstätten in den Schulen gibt es die öffentlichen Diskussionswerkstätten in Wien und Tirol. Dort sind vor allem LehrerInnen und Eltern adressiert: LehrerInnen, weil wir in Schulen forschen und die Eltern, weil die interessiert, was die Kinder da erfahren und erarbeiten. im Prinzip sind die Veranstaltungen für alle Interessierten offen.

Was ist die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

Ulrike Zartler: Begonnen hat das Projekt am 1. September 2017. Schon am 4. September gab es die erste Diskussionswerkstatt in der Schule und wir haben uns mit allen LehrerInnen und Eltern getroffen, um das Projekt vorzustellen.  Da haben wir schon alle Materialien gebraucht, um darzustellen, was wir mit dem Projekt erreichen wollen, und die Eltern zu bitten, dass die Kinder mitmachen dürfen. Das war schon eine Herausforderung. Normalerweise fängt das Projekt an, und man hat Zeit für Teambuilding und eine erste gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema. Diesen Prozess haben wir sehr abgekürzt.  

Raphaela Kogler: Ja, das war eine Riesen-Herausforderung mit dem Projekt-Start, auch der generell kurze Zeitraum mit einem sehr dichten Programm. Wir betreiben einerseits Wissenschaft und produzieren wissenschaftliche Ergebnisse. Auf der anderen Seite kommt noch das Rückspielen an die Öffentlichkeit und an die Interessierten in Form der Unterrichtsmaterialien für die Schulen, die Kinder und die LehrerInnen dazu. Stichwort Citizen Science, was noch eine Herausforderung bei öffentlichen Diskussionen ist: man weiß nie, wer kommt, kann sich also nicht auf diese vorbereiten, möchte aber eine gute Diskussionsgrundlage bieten.

Wo kann man etwas über die Projektergebnisse erfahren?

Raphaela Kogler: Im Februar wird es in Wien noch eine Diskussionsveranstaltung geben, wo wir dann erste Ergebnisse zurückspiegeln und die ersten Unterrichtsmaterialien und die Broschüre herzeigen, und dann fragen: "Wie sehen Sie das, was fehlt Ihnen da vielleicht noch?" Wir hoffen natürlich auch auf Feedback von ExpertInnen aus der Didaktik und Pädagogik für das Unterrichtsmaterial. Sowohl  in Wien als auch in Tirol ist eine große öffentliche Schlussveranstaltung geplant, die sogenannte "Smile goes public". In Wien findet sie am 18. Juni statt, in Tirol im Mai, da steht der genaue Termin noch nicht fest. Dort werden nicht nur Projektergebnisse präsentiert, sondern auch der Output in Form einer Broschüre, die mit den Kindern gestaltet wurde. Außerdem werden auch Teile des Projektes ausgestellt, die partizipativ von den Kindern mitgestaltet wurden.

In welchen Medien erfahren Interessierte Näheres zu den Veranstaltungen?

Ulrike Zartler: Auf unserer Projekt-Website der Uni Wien, auf der Österreich forscht-Website, auch über das Institut werden wir die Informationen verbreiten und über die Schulen. Die LehrerInnen werden persönlich eingeladen und die Eltern über das Mitteilungsheft informiert.

 

Rückfragehinweis:

Ulrike Zartler
Institut für Soziologie
Universität Wien
Rooseveltplatz 2
1090 Wien
T: +43-1-4277-48244
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor. Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Prof. Dr. Klement Tockner, dem Präsidenten des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF). Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

Mein Berufswunsch als Kind war:

Prof. Dr. Klement Tockner: Weltreisender, Entdecker von unerforschten Landstrichen, den Südpol zu erreichen.

Wissenschaft ist für mich:

Prof. Dr. Klement Tockner: Neugierde und Durchhaltevermögen.

Am spannendsten an meiner jetzigen Tätigkeit finde ich:

Prof. Dr. Klement Tockner: Dass man viele kluge Personen trifft und was weiterbringen kann.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Prof. Dr. Klement Tockner: Das „Konzept“ Europa – diese Vielfalt und Internationalität – in die ganze Welt exportieren. Wenn wir die Vereinigten Staaten der Welt hätten, das wäre richtig großartig.

Spaß an der Arbeit bedeutet für mich:                                

Prof. Dr. Klement Tockner: Dass es anregend ist, dass einem nach einer Stunde reden der Kopf raucht, dass es herausfordernd ist. Man muss gestalten können! Das Gegenteil von Spaß an der Arbeit ist, wenn man Zeit verschwendet für unnötige Sachen.

Diese Person finde ich am faszinierendsten:

Prof. Dr. Klement Tockner: Leute wie Nelson Mandela, aus einem einfachen Grund: Wie kann man 20 Jahre im Gefängnis stecken und nicht verbittert sein, sondern ein Optimist und so eine offene, weitblickende Einstellung haben, das ist einfach bewundernswert und inspirierend! Eine mentale Größe zu haben, eine Persönlichkeit zu sein, wo es nicht in erster Linie um die eigene Person geht, sondern wo es einfach um die Sache geht und man dabei große Visionen wagt.

 

Persönlicher Hintergrund

Sie sind studierter Biologe, Gewässerökologe. Wann wussten Sie, dass Sie Wissenschaftler werden wollten?

Prof. Dr. Klement Tockner: Da waren die Personen, die ich getroffen habe während der Ausbildung. Da war einmal mein Doktoratsbetreuer, der ein sehr spannender Mensch war: Gerhard Bretschko, der Leiter der Biologischen Station in Lunz. Er hatte etwas Spielerisches, leider auch etwas Schlampiges an sich gehabt und daher oft etwas nicht zu Ende gemacht. Man kann einerseits spielerisch sein, aber es braucht gleichermaßen Rigorosität und Durchhaltevermögen. Überhaupt sollte man nicht alles zu persönlich nehmen. Das ist ja eine österreichische Eigenheit, dass die Leute schnell beleidigt sind. Man braucht einen gewissen Abstand zu sich selber. Eine professionelle Einstellung mit dem Spielerischen kombinieren, das ist die Kunst.

Hatten Sie da Vorbilder?

Prof. Dr. Klement Tockner: Ich habe immer Mentoren gehabt, und ich habe auch jetzt noch welche, die spielen eine ganz große Rolle. Das sind Leute, die einem zuhören, kein Eigeninteresse und viel Erfahrung haben. Sie haben die Aufgabe, in erster Linie etwas anzuregen. Also ich habe auch mehrere Mentoren gehabt, wo ich dann auch das Gegenteil gemacht habe von dem, was sie mir geraten haben. Weil ich erst durch die gemeinsame Diskussion draufgekommen bin, das ist nicht das, was ich möchte. Dazu eine Geschichte: Mein Vorgesetzter in der Schweiz, der mich damals geholt hat, hat gesagt: „Mit Kindern kannst du deine Karriere vergessen.“ Ich war aber völlig überzeugt, dass das verbindbar und machbar ist. Ich habe ihm dann beim zweiten Kind gesagt: „Meine besten Entscheidungen in meinem ganzen Leben heißen Fanny und Lilly“. Oder, ich war ein aquatischer Ökologe und habe später begonnen, auch terrestrische Systeme zu erforschen. Davon wurde mir auch abgeraten: „Schau lieber, dass du in deinem Bereich bleibst“! Manchmal ist es auch der Widerstand, der einen antreibt. Man benötigt diesen Diskurs mit Leuten, die unbequeme Fragen stellen und einem richtig auf den Zahn fühlen.

Also für Innovation ist die Diskussion wichtig in der Wissenschaft?

Prof. Dr. Klement Tockner: Die Diskussion ist wichtig, und man muss etwas wagen. Und wenn du am besten an der Ostsee nachdenken kannst, dann fahre halt für zwei Tage dorthin. Die Wissenschaft bietet ja viel mehr Freiraum, als wir nutzen. Das ist ein Dilemma der Wissenschaft: wir sind nicht mutig genug, wir sind nicht unbequem genug, wir nutzen die Freiheit nicht genug. Die größte Verantwortung liegt eigentlich bei denen, die das Privileg einer permanenten Stelle in der Wissenschaft besitzen. Die müssen groß denken, langfristige Projekte starten und sich beispielhaft für die Gemeinschaft einsetzen.

Ist das spezifisch für die österreichische Forschungslandschaft?

Prof. Dr. Klement Tockner: Ich glaube, das ist jetzt nicht ein österreichisches Phänomen, aber was in Österreich doch verbreitet ist, dass wir Meister im Schönreden sind. Ich kann mich an intensive Diskussionen mit Kollegen erinnern, da hat dann ein hochrangiger Wissenschaftler, der dabei war, gesagt, ihr habt ja richtig gestritten! Dabei haben wir überhaupt nicht gestritten, sondern aus meiner Sicht war die Diskussion unglaublich anregend. Wir sind Konsensleute, wir müssen uns wohlfühlen, wir tun dem anderen nicht weh, das ist schon eine österreichische Eigenart. Es ist ja fast wieder eine eigene Form der Kreativität, zu überlegen, was jemand vielleicht tatsächlich gedacht hat – im Vergleich zum Gesagten.

Was würden Sie jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen in Österreich?

Prof. Dr. Klement Tockner: Raus in die Welt gehen! Trau dich, etwas Neues zu beginnen! Es gibt keine Garantie für eine Forschungskarriere, aber es gibt dann die Möglichkeit, auch ganz andere spannende Wege einzuschlagen. Karriere ist nicht planbar, und man steht hin und wieder an einer Kreuzung, wo man entscheiden muss, oder wo entschieden wird, ob man rechts, links oder gerade oder gar in eine andere Richtung geht. Jede Kreuzung bietet auch eine Chance. Und es gibt ja auch den Spruch, nur die Dummen lernen aus den eigenen Fehlern, die Gescheiten lernen aus den Fehlern der anderen.

Das heißt, das muss man auch zulassen, sich darauf einlassen, in eine ganz andere Richtung zu kommen, als ursprünglich geplant?

Prof. Dr. Klement Tockner: Man muss ja nicht ein „Freikletterer“ sein. Aber es ist auch nicht notwendig, dass man sich in einem Hochsicherheitstrakt bewegt, wo nichts Unerwartetes passieren kann. Von einer Vollkasko-Mentalität sollte man sich jedenfalls verabschieden, weil dann kann man nicht Forscher werden, das widerspricht sich grundsätzlich.

Das ist wahrscheinlich gerade in Österreich typisch, dieses Sicherheitsdenken.

Prof. Dr. Klement Tockner: Ja, ein Beispiel: Ich war kürzlich in Holland, da ist der Wettbewerb deutlich stärker. Da müssen die Leute viel mehr im Wettbewerb die nötigen Ressourcen einholen (30 % Grundfinanzierung, 70 % wird im Wettbewerb vergeben). Der Prozess ist aber fair und transparent; man weiß genau, was die Kriterien sind, um diese Mittel zu bekommen. Es ist vergleichbar mit einem Marathonläufer. Wenn der an 40. Stelle landet, würde er in Holland sagen: „Ich habe nicht genügend trainiert und es sind einfach 39, die noch besser sind“. In Österreich würde man dagegen sagen: „Die anderen haben bessere Schuhe, die bekamen die größeren Bananen bei der Versorgungsstation, und warum ich nur 40. geworden bin, ist daher nicht nur mein Fehler“. Grauzonen führen ja zur Unzufriedenheit. Gibt es hingegen einen fairen, transparenten Wettbewerb, dann liegt es an einem selber und nicht an den anderen, wenn man etwas weiterbringt oder auch nicht.

Derzeit sind Sie Präsident des Österreichischen Wissenschaftsfonds. Vermissen Sie es, selber zu forschen?

Prof. Dr. Klement Tockner: Das ist die Frage, wie man Forschen definiert. Ich sehe mich jetzt mehr als Stimulierer, obwohl ich noch in internationalen Forschungsprogrammen involviert bin und dort die eigene Forschung vorantreibe, was jedoch eine Abend- oder Wochenendbeschäftigung ist. Warum mache ich noch aktiv Forschung? Erstens, um nicht abhängig zu werden von einer Position und dann nicht mehr zurück zu können in den Forschungsbetrieb, und zweitens, um immer zwischen diesen beiden Welten zu wandern und die Forschungsförderung somit laufend auch aus der Sicht des Forschenden zu sehen. Das Schlimmste wäre, wenn jemand zu mir sagen würde: „Lieber Herr Tockner, Sie sind jetzt ein richtiger Funktionär“. Dann weiß ich, jetzt wäre es Zeit zu gehen – oder eventuell bereits zu spät hierfür.

Wie stehen Sie zur Forschungsstrategie der Bundesregierung? Da gibt es die Strategie 2020, die die Innovation in Österreich ankurbeln und die Forschung und Entwicklung in Österreich fördern soll. Für wie realistisch halten Sie die?

Prof. Dr. Klement Tockner: Im neuen Regierungsprogramm findet sich viel Ambitioniertes, es sind große Ziele formuliert. Es wird sich jetzt zeigen, ob auch der Mut da ist, diese umzusetzen. Außerdem wird Innovation zu stark mit wirtschaftlicher Umsetzung vertauscht. Aber Innovation entsteht in erster Linie in einer unabhängigen Grundlagenforschung und dann häufig an deren Rändern. Wenn man ein wirkliches Innovationsland sein will – und nicht nur ein Zulieferer-Land, dann muss man in unabhängige Grundlagenforschung und in die Spitzenforschung massiv investieren, wobei Exzellenz sich nur im internationalen Vergleich messen lässt. Wir wollen keine Alpen-Exzellenz, sondern zumindest europäische Spitzenforschung.

Sehen Sie da Anzeichen, dass das wirklich umgesetzt und jetzt tatsächlich in die Grundlagenforschung investiert wird?

Prof. Dr. Klement Tockner: Am Papier existieren diese bereits, jetzt müssen sie umgesetzt und Realität werden. Dafür braucht es eine langfristige, solide und zugleich ausgesprochen ambitionierte und international ausgerichtete Forschungsstrategie.

 

Citizen Science

Gehen wir kurz zu dem Thema Citizen Science. Für wie wichtig halten Sie Citizen Science bzw. wie sehen Sie die Zukunft von Citizen Science?

Prof. Dr. Klement Tockner: Es ist ein populäres und tolles Konzept. Man hat versucht ein paar „low hanging fruits“ abzuernten und Aufmerksamkeit zu generieren. Jetzt verebbt das wieder ein bisschen. Wir müssen Acht geben, dass das nicht nur ein Hype war.

Sie meinen, das war ein Trend und geht jetzt wieder zurück?

Prof. Dr. Klement Tockner: Citizen Science, also bürgerbeteiligte Wissenschaft, hat ein großes Möglichkeitspotenzial, um Wissenschaft voranzutreiben, und bietet auch die einmalige Chance, die Wissenschaft verstärkt in die Gesellschaft zu tragen. Citizen Science muss natürlich wissensbasiert und erkenntnisgetrieben sein. Das heißt, die Wissenschaft und der Erkenntnisgewinn müssen im Zentrum stehen. Wir haben vom FWF eine Reihe an Top-Citizen-Science-Projekten gefördert. Hier bildet jeweils ein Wissenschaftsprojekt die Basis, d. h. die Qualität ist grundsätzlich gegeben. Dann hat man als Modul diesen Citizen Science Aspekt. Citizen Science ist ein Ansatz, aber es ist nicht der Ansatz der Wissenschaft. Es hat ein großes, aber zumeist noch nicht genügend genutztes Potenzial.

Ist geplant, dass Citizen-Science-Projekte vom FWF weiterhin mittelfristig gefördert werden?

Prof. Dr. Klement Tockner: Wir planen, dass wir das Programm weiterführen. Wir werden erst einmal eine kurze Reflexion durchführen, was wir aus diesen ersten drei Ausschreibungen gelernt haben. Man sieht, dass relativ viel Aufwand dahinter steckt, um das Programm durchzuführen. Die Deutschen nehmen das Top-Citizen-Science-Programm des FWF und des ÖAD als Vorbild. Insofern haben wir auch etwas erreicht, nämlich dass wir Standards setzen und Beispiel sein können für andere Länder. Es wird vermehrt auch auf europäischer Ebene Ausschreibungen im Bereich Citizen Science geben.

 

BE OPEN - Science & Society Festival:

Jetzt kommen wir zu dem großen Wissenschafts-Event, das vom FWF veranstaltet wird: dem BE OPEN – Science & Society Festival. Wie sind Sie auf den Namen gekommen?

Prof. Dr. Klement Tockner: Die Idee war: BE OPEN im Sinne von „Sei neugierig“, BE OPEN im Sinne einer offenen Wissenschaft (Open Data, Open Science) sowie last but not least das Konzept selbst: ein Open-Air-Wissenschaftsfestival, bei dem der Austausch mit der Gesellschaft im Vordergrund steht. Wir wollen gezielt in den öffentlichen Raum hineingehen und sagen: „Österreich ist ein Forschungsland und wir sind stolz darauf!“ Das möchten wir vermitteln, weil diese Leier, dass in Österreich kein Interesse an der Forschung besteht, das hat etwas von einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Das muss man durchbrechen. Jeder ist neugierig, jeder von uns ist ein Wissenschaftler in gewissem Sinne und die Erziehung und Schule haben leider dazu beigetragen, uns diese Neugierde auszutreiben.

Was ist die Hauptzielgruppe für das Event?

Pressesprecher Marc Seumenicht: Wir haben BE OPEN bewusst so gestaltet, dass es von Jung bis Alt funktioniert, quasi für die ganze Familie. Das Einstiegsalter liegt in etwa im frühen Volksschulalter, die Themenstationen sind aber so konzipiert, dass selbst ein 80, 90 Jähriger, der das Fest besucht, genauso die Faszination, die von der Grundlagenforschung ausgeht, mitnehmen kann. Für jeden ist etwas dabei. Für die ganz Kleinen haben wir einen Mini-Kids-Klub am Wochenende eingerichtet.

Was kann man am Festival alles erleben?

Pressesprecher Marc Seumenicht:. Wir bieten ein buntes Programm an Spitzenforschung „made in Austria, funded by FWF“. Die insgesamt 18 Themenstationen laden zum Entdecken, Mitmachen und Mitreden ein. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein Wissenschaftsrätsel. Parallel zu den Pavillons veranstalten wir ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm in der FWF-Arena. Jede Session des Rahmenprogramms läuft in Kooperation mit diversen Partnern aus Medien, Wissenschaft und Wirtschaft. Das zeigt auch die Strahlkraft, die von diesem Festival ausgeht. Das gab es noch nie in der Größenordnung.

Wie ist das BE OPEN-Festival im Vergleich zur Langen Nacht der Forschung zu sehen?

Pressesprecher Marc Seumenicht: Jede Veranstaltung, die Wissenschaft kommuniziert und Begeisterung in der Bevölkerung weckt, ist wichtig und gut. Die Lange Nacht der Forschung hat einen relativ starken Fokus auf Kinder, zudem ist sie auf viele Standorte verstreut. Wir bringen tatsächlich Spitzenforschung für Jung bis Alt an einem Ort [Anmerkung: am Maria Theresienplatz in Wien] zusammen, und das über fünf Tage. Neben den Themenstationen als „Garten des Wissens“ gibt es das erwähnte Rahmenprogramm, wo man ganz bewusst mitdiskutieren soll. Und auch bei den Pavillons kann und soll man mit den Wissenschaftlern in Kontakt treten und fragen. Es sind Mitmach-Stationen, die bewusst interaktiv und partizipativ gestaltet sind. Diese Interaktion begleitet das ganze Festival.

Sind Sie eigentlich dann vor Ort?

Prof. Dr. Klement Tockner: Die ganze Woche. Ich bin in zig Veranstaltungen drin. Mich interessiert der Dialog, mit all den Leuten zu reden kann so stimulierend sein. In erster Linie ist das ein Auftakt, wir wollen damit vermitteln, wir sind nicht nur ein Kultur- und ein Skifahrer-Land, wir sind auch ein Wissenschaftsland. Es geht somit auch um die Nachhaltigkeit des Festivals selber, dass man dann nicht nach Hause geht und sagt, das waren jetzt fünf Tage, schön war es, sondern dass da etwas in Gang gesetzt wird durch dieses Festival! Ein langfristiger Dialog zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft.

Auf welchen Programmpunkt freuen Sie sich persönlich besonders?

Prof. Dr. Klement Tockner: Die Verleihung der START- und Wittgenstein-Preise. Es ist ein festlicher Anlass, man hat auf der einen Seite die Wittgenstein-Preisträgerinnen und -Preisträger. Das ist quasi das Hochamt der Wissenschaft. Und dann hat man da die herausragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Die, die wir auszeichnen, sind ganz großartige Talente. Es ist aber auch wichtig, dass man nicht nur die ehrt, die den Preis bekommen haben, sondern auch die, die sich dem Wettbewerb gestellt haben, die es gewagt haben, den Kopf rauszuhalten und zu sich sagen: ich stelle mich diesem Wettbewerb. Ich freue mich auch auf die 50 Schulklassen, die zum BE OPEN-Festival kommen werden. Wahrscheinlich leuchten dann die Augen der Wissenschaftlerinnen und – wissenschaftler genauso wie die der Kinder, wenn die durchgehen. Da kommen sicher Fragen, wo du sagst, an das hätte ich nie gedacht. Wichtig ist: Das ist kein Fest des FWF in dem Sinn, das ist kein Sich-Selbst-Feiern. Es ist keine Jubiläumsfeier mit Lobreden auf den FWF, sondern es geht uns um die Wissenschaft und deren zentrale Rolle in einer aufgeklärten Gesellschaft.

Ich denke, das war ein schöner Schlusssatz für das Interview. Herr Tockner, herzlichen Dank für das Interview!

Von 8. – 12. September findet das BE OPEN Science & Society Festival am Wiener Maria Theresien-Platz statt. 18 wissenschaftliche Pop-up-Pavillons bieten faszinierende Einblicke in die Welt der Grundlagenforschung und die Möglichkeit, mit ForscherInnen persönlich in Kontakt zu treten und zu diskutieren.

 

Informationen und Programm:

Festival-Programm
www.facebook.com/BEOPENfestival/

Rückfragehinweis FWF:

Marc Seumenicht
Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation

Tel.: 0043-1 505 67 40 – 8111
Email:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor. Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Theresa Walter und Richard Zink von der Österreichischen Vogelwarte an der Vetmeduni Vienna.

Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

Mein Berufswunsch als Kind war:

Richard Zink: Biologe und Zoologe zu werden.

Theresa Walter: Ich hatte keinen definitiven Berufswunsch, aber Tiere haben mich schon immer fasziniert.

Wissenschaft ist für mich:

Richard Zink: spannend, aufregend, anstrengend.

Theresa Walter: neugierig sein, Zusammenhänge erkennen und Wissen vermitteln.

Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:

Richard Zink: die Komplexität unserer Ökosysteme und die Vermittlung dieser Komplexität auf einfache Art und Weise.

Theresa Walter: Für mich sind es auch die großen Zusammenhänge in unserer Umwelt, und dass es noch immer Dinge gibt, die wir nicht verstehen.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Richard Zink (lacht): die Nutzung der fossilen Brennstoffe abschaffen? Im Ernst: wenn ich eine Sache auf dieser Welt verändern könnte, dann würde ich versuchen, dass Menschen mehr Zeit in die Erziehung ihrer eigenen Kinder investieren.

Theresa Walter: Eine Sache ist schwierig. Ich würde mir wünschen, dass mehr Umweltpädagogik betrieben wird und die Leute nachhaltiger handeln.

Spaß an der Arbeit bedeutet für mich:

Richard Zink: auf jeden Fall das Abwechslungsreiche! Es gibt in der Biologie so viele unterschiedliche Aufgabengebiete: von der Vermittlung für ein gutes Miteinander, bis zu den aufregenden Momenten, wo man Tiere im Freiland beobachten kann.

Theresa Walter: Ich kann mich dem nur anschließen, plus, dass ich es wertvoll finde, in einem Team zu arbeiten.

Diese Tiere finde ich am faszinierendsten:

Richard Zink: Mich fasziniert Geschwindigkeit und die schnellen Tiere wie zum Beispiel die Mauersegler, die durch die Luft fliegen wie die Kanonen oder die Falken, die vom Himmel stürzen. Weiters gibt es auch Vögel, die so weit rund um den Globus ziehen, oder aber auch Greifvögel, die in ihrem eigenen Revier schon unglaublich große Strecken zurücklegen, Stichwort Bartgeier, der in der Früh im Schweizer Wallis aufsteigt und am Abend irgendwo in den österreichischen Alpen landet.

Theresa Walter: Mich faszinieren Füchse, da sie unheimlich intelligent und vielseitig sind und überall zurechtkommen. Der Fuchs kommt zum Beispiel von Finnland bis Australien vor. Oder auch andere intelligente Tiere, wie zum Beispiel die Krähen: diese nutzen das menschliche Verhalten um an Futter zu kommen.

Persönlicher Hintergrund

Wann wusstest ihr, dass ihr Wissenschaftler bzw. Wissenschaftlerin werden wollt?

Richard Zink: Erst sehr spät. Das hat sich mehr oder weniger ergeben. Für mich war die Natur immer im Fokus, aber es hätte vielleicht auch passieren können, dass ich Förster werde, oder etwas anderes, wo ich viel mit Natur zu tun habe.

Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Richard Zink: Mein Steckenpferd ist ja die Vogelkunde, und da gab es sehr wohl ein Schlüsselerlebnis: Das war ein Waldkauz, der jeden Tag punktgenau um dieselbe Zeit über unseren Garten gesegelt ist und ich als Kind diesen Vogel vom Fenster aus beobachtet habe. So ein Waldkauz hat eine Spannweite von über einem Meter, fliegt absolut lautlos und ist dann genauso schnell wie er aufgetaucht ist, in einem hohlen Baum verschwunden und dieses Überraschende, Lautlose und die Größe dazu haben mich sehr fasziniert.

Theresa Walter: Bei mir hat es sich die Arbeit als Wissenschaftlerin über meine Masterarbeit ergeben, die ich zur Beobachtbarkeit von Füchsen in der Stadt Wien anhand von Citizen Science Daten verfasst hab.

Was würdet ihr jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?

Richard Zink: Rechtzeitig Geldreserven anlegen (lacht). Im Ernst, es ist die Forschungslandschaft momentan sehr hart, weil die Finanzen zurzeit überall sehr knapp sind. Ich bin mir nicht sicher, ob ich derzeit jemandem empfehlen würde, Wissenschaftler zu werden.

Theresa Walter: Ich glaube, es braucht Durchhaltevermögen und extrem gute Ideen, aber auch Glück, weil es heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist, dass man dann auf der Uni angestellt wird und einen unbefristeten Vertrag bekommt. Man muss sich in den meisten Fällen selbst finanzieren und dafür braucht man die oben genannten Eigenschaften.

Was war die beste berufliche Entscheidung in eurer Laufbahn?

Richard Zink: Dass ich mich letzten Endes für die Wildbiologie und da für die Vogelkunde entschieden habe, weil das ein Fachgebiet ist, wo sich Naturinhalte der breiten Bevölkerung gegenüber anschaulich vermitteln lassen. Es ist leichter, ein singendes Rotkehlchen herzuzeigen, als einen nachtaktiven Biber oder Marder.

Theresa Walter: Meine Berufslaufbahn ist noch nicht so lange (lacht). Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, meine Masterarbeit zu den Füchsen in Wien zu schreiben, weil unter anderem aufgrund dieser Masterarbeit das Projekt "StadtWildTiere" entstanden ist.

Wie seid ihr zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?

Richard Zink: Es gibt ja heute viele Citizen Science Projekte, aber unsere Initiative, Wissenstransfer großzuschreiben und gemeinsam mit der Bevölkerung etwas zu tun, geht schon weiter zurück. Wir haben Citizen Science gemacht, noch bevor dies offiziell so genannt wurde.

Zum Projekt "StadtWildTiere": was sind denn die Ziele des Projektes?

Theresa Walter: Uns geht es darum, Beobachtungen zu sammeln, die wir alleine so nie generieren könnten. Die Plattform läuft seit Ende Mai 2015 und wir haben in diesem kurzen Zeitraum bereits über 1000 Fuchsbeobachtungen in Wien gesammelt. Um alleine als Wissenschaftler auf diese Anzahl an Beobachtungen zu kommen, würden Jahrzehnte vergehen. Aber gemeinsam mit der Bevölkerung ist es möglich, das Vorkommen und die Verbreitung von Tierarten in der Stadt nachvollziehen zu können. Unser Ziel ist, dass wir einerseits Informationen bekommen, aber andererseits auch Wissen vermitteln. Wir wollen den Leuten aufzeigen, wer denn sonst noch aller in der Stadt lebt. Und dass eigentlich ein Miteinander auch im städtischen Bereich kein Problem darstellt. Es geht uns um einen Beitrag, dass die Stadt auch als Wildtierlebensraum wahrgenommen wird.

Was können Interessierte bei der Teilnahme an diesem Projekt lernen?

Richard Zink: Sie können viel über die Tiere in unserer Nachbarschaft erfahren und dass viele Personen gemeinsam zu einer Sache beitragen können. Auf unserer Plattform kann man sich einen Überblick verschaffen, was andere Bürger und Bürgerinnen schon beobachtet haben. Außerdem können wir durch das Vorhandensein von Wildtieren mittlerweile auch auf naturnahe Grünräume rückschließen. Es geht aber noch einen Schritt weiter: das Eichhörnchen beispielsweise ist ein wunderbarer Indikator für die Vernetzung von Grünräumen in der Stadt. Die würde man nicht in einem Bezirk finden, wo alles versiegelt ist. Wir können aufzeigen, wo Grünkorridore verlaufen. Es geht vor allem darum, langfristig Daten zu sammeln, dann können wir im Laufe der Zeit Entwicklungstrends abbilden.

Was war das schönste Erlebnis in der gemeinsamen Forschung?

Richard Zink: Sicherlich die Herausgabe unseres Kinderbuchs, das uns ein Anliegen ist, um der jüngsten Generation Inhalte zu vermitteln.* Außerdem die Präsenz und Präsentationen im Rahmen der Österreichischen Citizen Science Konferenzen. Ein wirkliches Highlight war auch, dass sich weitere internationale Städte wie Berlin diesem Projekt angeschlossen haben.

Theresa Walter: Ein Highlight war sicher das Beobachten junger Füchse am Straßenrand, und dass das Projekt läuft und von der Bevölkerung angenommen wird. Es kommen fast jeden Tag Meldungen herein und das alleine ist eigentlich schon wunderbar.

Wo können sich Interessierte über das Projekt informieren?

Richard Zink: Wir operieren auf verschiedenen Kanälen: Gespräche bei Veranstaltungen und Infoständen, sowie Vorträge und Exkursionen. Wir haben uns auch bemüht, auf der Homepage zu unterschiedlichen Tierarten Porträts und Informationen zusammenzustellen. Natürlich stehen wir auch via Email und telefonisch nach Möglichkeit zur Verfügung.

Wann ist die nächste Veranstaltung?

Theresa Walter: Am 19. Juli sind wir mit zwei Vorträgen bei der Kinderuni VetMed, Ende August gibt es dann die Artenschutztage im Tiergarten Schönbrunn.

Zukunft des Projektes: Theresa Walter und Richard Zink bearbeiten das Projekt StadtWildTiere zurzeit rein ehrenamtlich. Geplant ist, das Projekt auf andere Städte und den Siedlungsraum im ländlichen Bereich auszudehnen. Derzeit wird noch finanzielle Unterstützung gesucht, um dieses Projektziel verwirklichen zu können.

* Das Kinderbuch „Stadtwildtiere. Säugetiere in unserer Nähe“ von Theresa Walter und Richard Zink ist im Eigenverlag erschienen und erhältlich unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Geeignet für Kinder im Volksschulalter.

Kontakt: Dr.rer.nat. Richard Zink und Theresa Walter, M.Sc.
c/o  Vetmeduni
Österreichische Vogelwarte
Zentrum für Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit in Seebarn
Email:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Website:
www.stadtwildtiere.at
Telefon: +43 (1) 25077-7213

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor.

Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Dr. Benjamin Missbach, der gemeinsam mit Dr. Lucia Malfent für das Projekt "Reden Sie mit!" verantwortlich ist. Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

Mein Berufswunsch als Kind war:

Sportler, weil ich extrem viel Sport gemacht habe, ich habe 80 % meiner Freizeit am Sportplatz verbracht.

Wissenschaft ist für mich:

Erkenntnisgewinn.

Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:

.. die Interaktion mit unüblichen Wissensträgern. Das heißt, mit Leuten zu sprechen, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund, aber aus einer praktischen Erfahrung heraus sehr viel Wissen haben.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Da sage ich jetzt nicht "Weltfrieden" (lacht). Bildung für alle!

Spaß an der Arbeit bedeutet für mich:

.. nicht auf die Uhr schauen.

Diese Personen finde ich am faszinierendsten:

Ich habe da eigentlich keine Vorbilder. Es ist nicht so, dass ich da jemandem hinterher eifern würde in meiner beruflichen Tätigkeit.

 

Persönlicher Hintergrund

Wann wusstest du, dass du Wissenschaftler werden willst?

Nachdem ich mit meiner Sportkarriere aufgehört habe. Ich habe früher leistungsmäßig Basketball gespielt, dann aber mit 18, 19 Jahren aufgehört, weil ich die Schule fertig machen wollte. Dann habe ich relativ schnell im Studium gemerkt, dass das Wissen, das mir da vermittelt wird, nicht alles sein kann, und dass ich gerne in einem spezifischen Bereich mehr wissen will. Da war für mich die Wissenschaft Nummer eins, um einen Erkenntnisgewinn zu haben.

Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Interessanterweise ja, da gab es eines. Ich hab mal am Flughafen in Hamburg mal eine populärwissenschaftlich aufgearbeitete Zeitschrift gelesen: "New Scientist". Da war ein Artikel drin, den ich ganz spannend gefunden habe, zum Thema Ernährungsverhalten. Im Prinzip hat mir das die Augen geöffnet und da ich wusste sofort, ich will zu dem Thema mehr wissen und hab dann auch in dem Bereich promoviert.

Was würdest du jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?

Ich glaube, dass sich die Forschung gerade sehr ändert in Bezug darauf, was einen Forscher ausmacht. Es gibt Disziplinen, die ganz bewusst davon wegkommen wollen, dass Forschung nur zum Selbstzweck gemacht wird. Es gibt sicher einige gesellschaftliche Probleme, die man mit der Einbindung von Leuten, die davon betroffen sind, ganz gut lösen kann. Ich denke mir, dass da eine neue Art von Forschern heranwachsen wird, auch in Bezug auf die Öffnung der Wissenschaft, Leute, die offen arbeiten, mit dem Gedanken, Forschung zu teilen und das über Landesgrenzen hinaus, um gesellschaftliche Probleme zu lösen.

Wie bist du zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?

Ich beschäftige mich noch nicht so lange mit Citizen Science Projekten. Am Anfang war mir das ein bisschen fremd, aber mittlerweile habe ich sehr viele unterschiedliche Projekte gesehen, die qualitativ immer besser werden und sich inhaltlich sehr unterscheiden. Ich glaube, dass Citizen Science-Projekte einen Teil dazu beitragen können, dass die Hürde zur Wissenschaft niedriger wird und dass die Leute ein anderes Bild von Forschung haben. So kann jeder zum Forscher werden.

Würdest du sagen, dass die Zukunft der Forschung in der Einbindung der Bevölkerung liegt?

Das hängt vom jeweiligen Selbstverständnis der Wissenschaftsdisziplin ab. Wenn du mit einem Quantenphysiker sprichst, wird der wahrscheinlich sagen, das ist überhaupt nicht so. Aber es gibt gewisse Felder, wo wir glauben, dass Mehrwert geschaffen, und gleichzeitig auch die Transparenz der Forschung und die Akzeptanz gefördert werden kann. Ein einfaches Beispiel ist derzeit das Projekt "Reden Sie mit!". Wir binden die Bevölkerung von Anfang an ein in den Forschungsprozess, und zwar in das Schwierigste, nämlich die Ideengenerierung. Die Leute gehen auf unsere Plattform und geben dort Forschungsfragen zum Thema „Unfallverletzungen“ ein. Wenn wir dann die Forschungsfragen haben, sagen wir, gut, wir haben die wissenschaftlichen Methoden, diese Ideen zu beantworten, dazu müssen wir die vorhandenen Methoden verwenden. Das heißt, es startet dann ein Dialog zwischen Gesellschaft und der Forschung. Dadurch öffnen wir uns und arbeiten viel transparenter.

Was sind denn die Ziele des Projektes „Reden Sie mit“?

Ziel ist es, Bewusstsein für das Thema „Unfallverletzungen“ zu schaffen, neue Forschungsfragen zu generieren als auch das Bekanntmachen der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft. Wir möchten außerdem vermitteln, dass wir für Öffnung und Innovation stehen.

Was ist die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

Wir haben die schwierige Kommunikationsaufgabe, gleichzeitig Experten und  -innen anzusprechen, den Physiotherapeuten, Arzt in der Klinik, als auch Patienten. Wir haben gelernt, dass es keinen Sinn macht, quasi eine Krankenschwester genauso anzusprechen wie einen Unfallchirurgen oder einen Patienten. Das heißt, das Timing und der Inhalt muss entsprechend adaptiert werden. Wir haben das so gelöst, dass wir sagen, es gibt unterschiedliche Phasen und in jeder Phase werden unterschiedliche Dinge kommuniziert.

Wie erreicht ihr die Leute?

Es gibt eine Landing Page [Anmerkung der Redaktion: eine Webseite, die speziell für diese Kampagne entwickelt wurde]. Dort können sich Interessierte in den Newsletter eintragen. Wenn man mehr wissen will, dann kriegt man da Informationen. Das ist der erste Schritt.

Und wie bringt ihr die Leute auf die Landing Page?

Old school, mit den Leuten reden. Wir machen sehr viel online, aber man darf den offline-Kontext nicht unterschätzen, wenn es darum geht, eine kognitive Leistung zu vollbringen, nämlich eine Forschungsfrage einzureichen. Da tauchen viele Fragen auf: Was ist Forschung, wie formuliere ich eine Frage? Habe ich eine passende Frage zu dem Thema? Das ist nicht einfach, und daher muss man Leuten auch erklären, was da zu tun ist. Am 8. Mai ist das Ganze losgegangen. Wir waren einerseits in traditionellen Medien wie ORF 1 Abendjournal und ORF Science vertreten. Darüber hinaus gab es Email-Aussendungen an Hunderte von Leuten innerhalb und außerhalb der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft. Auch die Zielgruppenkommunikation über Social Media spielte eine wesentliche Rolle. Sehr viel Feedback bekommen wir auch über die verschiedenen Citizen Science Plattformen aus Österreich, der Schweiz, Belgien, Deutschland, Amerika und Australien.

Ihr seid ja international ausgerichtet mit diesem Projekt.

Genau. Wir haben einen Fokus auf den deutschsprachigen Raum, Portugal und Skandinavien. Wir wollen gerade auch Skandinavien abdecken, weil wir erfahren haben, dass die im Bereich Unfallverletzungen sehr innovativ arbeiten. Dort ist die Kooperation zwischen den Therapeuten und Ärzten sehr eng. In Portugal wiederum haben wir einen super Kooperationspartner namens „Patient Innovation“, der sehr viel in den Kliniken unterwegs ist. Der arbeitet daran, Patienteninnovationen zur Marktreife zu bringen. Wenn jemand ein Problem erkennt und eine Idee zur Verbesserung hat, wird er von „Patient Innovation“ beraten, denn von der Idee bis zum marktreifen Produkt ist ein langer Weg.

Was war das schönste Erlebnis bis jetzt?

Das schönste Erlebnis war, als ich an das Unfallkrankenhaus Klagenfurt gefahren bin und mich mit einer Ergotherapeutin getroffen habe. Die war froh, dass endlich jemand kommt. Sie hat nämlich durch ihre praktische Erfahrung so viele Beobachtungen gemacht und Ideen gesammelt, dass sie das toll findet, wenn das jemand aufnimmt. Es gibt viele, die wir ansprechen wollen, etwa Pflegepersonal, das in ihrer praktischen Arbeit sehr viel sieht, von der Diagnose, Behandlung bis zur Rehabilitation. Bei diesen drei Schritten gibt es so viele Personen, mit denen die Verletzten der Reihe nach zu tun haben. Unsere Überlegung ist, dass sehr viel Wissen aus der Arbeit am Patienten generiert wird, dass diese Praxiserfahrung aber kaum in die Forschung zurückfließt.

Wie lange ist das Projekt insgesamt geplant?

Acht Wochen ist die Plattform online, bis 3. Juli. Bis Ende des Jahres wollen wir dann die Forschungsfragen haben. Anfang 2020 soll es die ersten Projektgruppen geben.

Nach welchen Kriterien werden die Projekte ausgewählt?

Es handelt sich um einen ergebnisoffenen Prozess. Wenn die Ideensammlung der Forschungsfragen abgeschlossen ist, schauen wir uns die durch, und kategorisieren sie nach Themen. Weil eine Verwertungsstrategie ist, dass wir die Forschungsfragen wieder zur Verfügung stellen. Das heißt, wir geben sie auf eine Online-Plattform und sagen, schaut her, wir haben diese unterschiedlichen Themen und Forschungsfragen und freuen uns darüber, wenn sie jemand da draußen aufnimmt. Die Forschungsfragen lassen wir dann nochmals evaluieren, einerseits von Experten im Bereich Unfallverletzungen, und andererseits von der Bevölkerung. Wir wollen Rankings machen lassen, welche Themengebiete besonders wichtig für Nicht-Wissenschaftler und welche aus Expertensicht relevant sind. Die Frage ist, wie weit überschneidet sich das? Es muss ein Thema sein, das für die Bevölkerung wichtig und gleichzeitig wissenschaftlich relevant ist. Wir suchen uns dann zwei Themenbereiche aus, die wir näher beforschen wollen.

Was können Interessierte lernen bei der Teilnahme an diesem Projekt?

Wir bieten den Leuten, die da mitmachen, an, diese in die Forschung miteinzubinden, wenn ihre Frage aufgegriffen wird. Wir wollen zeigen, dass wir auch etwas zurückgeben. Das Projekt „Reden Sie mit!“ ist keine Einbahnstraße.

Wie kann ich mitmachen?

Wenn du eine Forschungsfrage hast, gehe online auf www.tell-us.online/de und gib deine Frage dort ein. Mitmachen ist noch bis 3. Juli 2018 möglich. Das Mindestalter für die Teilnahme beträgt 18 Jahre.

 

Kontakt: Dr. Benjamin Missbach
Projekt Manager
LBG Open Innovation in Science
Telefon: 
+43 660 6136430
E-Mail: 
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Freitag, 01 Juni 2018 06:35

Neuzugang

Eva Lirsch, ist ausgebildete Kommunikationsfachfrau der Werbeakademie Wien und hat ein Masterstudium in Kommunikationsmanagement absolviert. Ab sofort unterstützt sie das Team von Österreich forscht in der Kommunikation.

Getreu ihrem Motto "Wer Leuten etwas vermitteln will, muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen reden" möchte Eva die Menschen hinter den Projekten sichtbar machen. Sie startet ab sofort mit einer neuen Interviewreihe für Österreich forscht: Jedes Mal wird ein Citizen Science Projekt vorgestellt und jende Menschen portraitiert, die das Projekt zum Leben erwecken. Das erste Interview gibt es in Kürze, natürlich hier auf Österreich forscht.

Wenn Sie mehr über das Team hinter Österreich forscht erfahren möchten, dann finden Sie hier weitere Informationen darüber.