© Iris Ranzinger
Dienstag, 30 Oktober 2018

Stadt-Land-Kind

Eine intergenerative Ethnographie zu Sehnsuchtsbildern vom Land

Ausgehend von der europaweit einzigartigen Fotosammlung des Österreichischen Museums für Volkskunde untersuchte das Forschungsprojekt „Stadt-Land-Kind“ den Mythos vom besseren Leben auf dem Land aus einer intergenerativen Perspektive. Im Dialog mit Wissenschaftler*innen erforschten Kinder und Jugendliche gängige Land-Konstruktionen und entsprechende Bild- und Bedeutungsproduktionen im Austausch mit Eltern- und Großeltern-Generationen. Gefragt wurde nach den gesellschaftlichen Entwürfen und (Zukunfts-) Versprechen, die Bilder vom idyllischen Leben auf dem Land so tiefgreifend in sich tragen. Was sehen und erspüren wir, wenn wir diese häufig rückwärtsgewandten Bilder mit unserem Leben in der Gegenwart in Verbindung setzen?

Ziel war zum einen die Dekonstruktion gängiger Authentizitätsvorstellungen, wie sie sich Tourismus-, Produkt- und Politikinszenierungen mit Bildern vom Land heute zu Nutze machen. Zum anderen strebte das Projekt über die Frage, mit welchen Bildern wir unsere Geschichte vom Land „schreiben“, eine Aktualisierung von Landvorstellungen durch eine kritische Analyse historisch und kulturell konstruierter Sehnsuchtsmotive sowie durch das aktiv-reflexive Generieren neuer Landbilder an.

Über den Projektzeitraum von zwei Jahren wurde in intensiver Zusammenarbeit mit drei Partnerschulen aus drei ländlichen Regionen Österreichs – Waldviertel, Osttirol und Bregenzerwald – geforscht. Mit der Volksschule Rastenfeld (NÖ), der Neuen Mittelschule Kals am Großglockner (T) und der Werkraumschule Bregenzerwald (V) umfasste diese Konstellation zudem drei Altersstufen und drei verschiedene Schultypen. Insgesamt waren mit den Schüler*innen, ihren Familien und weiteren lokalen Teilnehmer*innen über 100 Citizen Scientists eingebunden, welche eine Differenzierung alters- und regionenspezifischer Sichtweisen ermöglichten. In der gemeinsamen Feldforschung und kollektiven Bildanalyse kam eine Kombination aus drei Formaten zur Anwendung: die eigens entwickelten Intergenerativen Bildgespräche und Fotoexpeditionen sowie die der Tradition der historisch-ethnografischen Feldforschung entlehnte Postkarte als Forschungsbericht. Während die Schüler*innen bei den Intergenerativen Bildgesprächen ihre persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen sowie ihr Wissen und ihre Zukunftsvorstellungen zum ländlichen Leben über historische und aktuelle Landbilder mit ihren Eltern, Großeltern, Lehrpersonen und Nachbar*innen teilten, produzierten sie in den Fotoexpeditionen neue Bilder vom Land. Über diese persönliche Perspektive der Kinder und Jugendlichen auf ihre ländliche Umgebung wurden bewusst gängige Bildpolitiken zur visuellen Produktion ländlicher Idyllen konterkariert. Als Zeitdokumente fanden 108 Fotografien und 50 Postkarten Eingang in die Sammlung des Österreichischen Museums für Volkskunde.

Aus den vielfältigen Erkenntnissen und visuell-materiellen Produktionen ging als öffentliche Plattform die Forschungsausstellung Retropia. Sprechen über Sehnsuchtsbilder vom Land hervor. Die Ausstellung, die von April bis Juni 2019 im Österreichischen Museum für Volkskunde lief, führte unter Mitbeteiligung der Schüler*innen in die Forschungsarbeit ein und setzte durch das Top Citizen Science-Erweiterungsprojekt „Stadt-Land-Bild. Eine soziale Bildanalyse zeitgenössischer Sehnsuchtserscheinungen“ das Forschen mit Besucher*innen im Ausstellungsraum fort.

Die Ausstellung veranschaulichte als Kernerkenntnis die neue Sehnsucht nach dem Land als ein höchst relationales Phänomen. Vorstellungen von einem guten Leben auf dem Land hängen nicht unbedingt mit bestimmten geographischen Regionen, Orten oder Plätzen zusammen. Vielmehr sind diese durch biographische Erfahrungen und aktuelle Lebenssituationen geprägt, welche beim Sprechen über die Bilder auf eine multi-sensorische und multi-perspektivische Art und Weise evoziert wurden. Dabei präsentierte sich die Sehnsucht nach dem Land vor allem in Form von Alternativkonstruktionen zum jeweiligen Alltag und zur Gegenwart. Im Generationenvergleich zeigte sich etwa bei Menschen aus der Elterngeneration ein verstärktes Bedürfnis nach Ruhe und Entschleunigung, das insbesondere als Versprechungen des einfachen Landlebens früherer Zeiten wirksam wird. Die Erinnerungen an sinnlich-körperliche Erfahrungen, etwa durch Handwerken oder Wandern, stellten hingegen für alle Generationen wichtige Bezugspunkte zum Landleben her. Während es sich für die Schüler*innen dabei zumeist um vergnügliche Freizeiterfahrungen handelte, reagierten manche Personen aus der Großelterngeneration mit Erinnerungen an entbehrungsreiche Zeiten auf historische Fotografien und brachten kritischere Perspektiven auf die Vorstellung von der „guten alten Zeit“ ein.

Für die Wissenschaftler*innen ergab sich aus dieser Zusammenführung unterschiedlicher Sichtweisen und Erzählungen in den Intergenerativen Bildgesprächen in Kombination mit den Erfahrungen aus dem aktiv-reflexiven Bildgenerierungsprozess mit den Schüler*innen in den Fotoexpeditionen und Postkarten-Workshops ein vielseitiger und vielschichtiger Erkenntnisgewinn. Der bildungspolitische Impetus des Projekts realisierte sich dabei über die Auseinandersetzung mit einem offenen Heimatbegriff sowie der Erweiterung von Visual Literacies bei den Schulkindern und deren Familien. Der wissenschaftliche Gewinn resultierte aus der konkreten empirischen Bestandsaufnahme des so zeitgeistigen, aber oft auch vage besprochenen Phänomens der Landsehnsucht, welche über die inhaltliche als auch visuell-materielle Analyse differenziert gefasst werden konnte.

 

Team:

Martina Fineder, Paul Reiter (Akademie der bildenden Künste Wien)
Luise Reitstätter, Mark Elias Napadenski (Universität Wien)
Herbert Justnik, Astrid Hammer, Katharina Zwerger-Peleska (Volkskundemuseum Wien)
Iris Ranzinger (Fotografie, digitale Bilder, Archive)

Projektlaufzeit & Projektpartner*innen:

Das Projekt „Stadt-Land-Kind“ war ein Projekt der Akademie der bildenden Künste Wien in Kooperation mit dem Labor für empirische Bildwissenschaft am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, dem Österreichischen Museum für Volkskunde, dem Werkraum Bregenzerwald, der VS Rastenfeld, der NMS Kals am Großglockner und der Werkraumschule Bregenzerwald. Es lief von 1. September 2017 bis 31. Oktober 2019, durchgeführt wurde es im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science, gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

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Publiziert in Projektarchiv
qimono, Pixabay Lizenz (https://bit.ly/2ossEP2)
Dienstag, 18 Oktober 2016

CODE IT!

Dieses Projekt wurde vor Einführung der Qualitätskriterien abgeschlossen.

Werden Sie Teil der wissenschaftlichen Community und helfen Sie, den Diskurs zur HPV-Impfung besser zu verstehen

Politische Maßnahmen und Entscheidungen werden stark durch sogenannte „Diskurse“ geformt. Diskurse sind zum Beispiel verbale Äußerungen, Argumente und Praktiken, die sozialen und natürlichen Phänomenen Bedeutungen verleihen. So gibt es beispielsweise zum Thema Impfung eine Bandbreite an Diskursen, die von verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen Zielen geführt werden. Als Politikwissenschafter*innen erforschen wir diese, um solche konfliktbehafteten Themen besser nachvollziehen zu können und politische Maßnahmen im Kontext bestimmter Diskurse zu verstehen. CODE IT möchte diese systematische Auseinandersetzung mit einer solchen Debatte auch Ihnen eröffnen. Im Projekt soll die Auseinandersetzung, die zur HPV Impfung ausgetragen wurde und schließlich deren Einführung in den Österreichischen Impfplan zur Folge hatte, untersucht werden. Mit Ihrer Hilfe wollen wir die Bedeutung von Worten aufdecken, den Einfluss von wissenschaftlichen und ökonomischen Argumenten auf den Verlauf der Debatte verstehen und auch erfassen, was unausgesprochen blieb beziehungsweise wer – im von uns zur Verfügung gestellten Datenkorpus von etwa 400 Pressemeldungen – nicht zur Rede kommt. Gleichzeitig sollen Sie den Verlauf des Projektes aktiv beeinflussen können, indem wir Ihnen mehrere Optionen zur Mitgestaltung von CODE IT auf unserer Homepage anbieten. Werden Sie ein Teil der CODE IT Community und geben Sie dem Diskurs ein Gesicht.

code it portraits 07 © Universität Wien

Wie können Sie sich einbringen?

CODE IT bietet Ihnen im Verlauf des Projektes unterschiedliche Möglichkeiten, an dem Projekt teilzunehmen. Zu Beginn können Sie etwa mit dem Forschungsteam in Kontakt treten, um interessante Forschungsfragen oder Ideen zu teilen. Außerdem können Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen zu Impfungen im Allgemeinen oder HPV im Speziellen in Form von Blogbeiträgen mit der Community teilen. Diese Blogs sollen grundsätzlich als Kommunikationskanal zwischen dem Projektteam, Ihnen und auch anderen Expert*innen dienen, um eine offene Diskussion zu diesem Thema zu erschaffen. Mit Voranschreiten wird schließlich ein Datensatz zur Verfügung gestellt, an dem Sie selber weiterbearbeiten oder den Sie für Analysen heranziehen können. Interessante Erkenntnisse, die Sie daraus beziehen können Sie zum Beispiel wieder in unserem Blog veröffentlichen. Mehr Informationen finden Sie auf der CODE IT Projekthomepage. 

Was passiert mit Ihren Beiträgen?

Ihre Beiträge sollen auf unterschiedlichen Ebenen genutzt werden. Die Daten, die Sie in die Datenbank einspeisen, soll Wissenschafter*innen, aber auch Ihnen, dabei helfen, den Diskurs rund um HPV-Impfungen besser zu verstehen. Außerdem sollen Ihre Beiträge dem Projekt eine neue Richtung geben können, Forschungsfragen aufwerfen und die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verbessern. Schließlich soll der Austausch zwischen Wissenschafter*innen und Ihnen dabei helfen, die Einbindungsmöglichkeiten von Bürger*innen im Rahmen von Citizen Science in den Sozialwissenschaften zu ergründen.

Gefördert durch

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Publiziert in Projektarchiv
(c) Christoph Musik
Donnerstag, 06 Oktober 2016

Inside Trading Cultures

Dieses Projekt wurde vor Einführung der Qualitätskriterien abgeschlossen.

Eine Bürger*innen-Ethnographie der Frankfurter Buchmesse

Das Projekt „Inside Trading Cultures“ untersucht mit ethnographischen Feldforschungsmethoden die Rolle und Bedeutung von jährlich stattfindenden internationalen Handelsmessen im globalen Buchmarkt. Die Frankfurter Buchmesse als größte Messe ihrer Art nimmt dabei eine besondere Stellung ein.

Das Projekt hat das Ziel, die Sichtweisen und Deutungen der beteiligten Forscher*innen um Perspektiven von Bürger*innen, die an Literatur und dem Handel mit Büchern interessiert sind, zu erweitern. Die Einbindung von Personen mit unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungshorizonten möchte eine Vielfalt der Perspektiven in allen Phasen der ethnographischen Forschung (v. a. Beobachtung im Feld, Analyse, Schreibprozess) von Handelsmessen erreichen. Darüber hinaus wird den beteiligten Personen ein exklusiver Einblick in üblicherweise nicht zugängliche Bereiche des Alltags und der Kultur des internationalen Handels von Buchrechten und -lizenzen ermöglicht.

Illu FrankfurterBuchmesse 300dpi

Illustration: Len Musik

Das Projekt richtet sich besonders an Multiplikator*innen im Buch- und Literaturbereich, wie etwa Buchhändler*innen, Bibliothekar*innen und Lehrer*innen aus dem Großraum St. Pölten oder Personen, die besonders an Literatur, Büchern und der damit verbundenen Frage, wie internationale Mediensysteme funktionieren, interessiert sind. Zentraler Bestandteil des Projekts ist die Feldforschung auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2017 mit einem Team aus neun Bürger-Wissenschafter*innen und drei Sozialwissenschafter*innen der FH St. Pölten.

Da die Anzahl der Plätze auf neun Personen beschränkt ist, gibt es wie in der Wissenschaft üblich ein Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Die Vielfalt der Teilnehmer*innen und ihrer Sichtweisen (bzgl. Alter, Geschlecht, Herkunft, Hintergrund usw.) steht dabei im Mittelpunkt.

Sie können sich bis spätestens 31.03.2017 für die Teilnahme am Projekt bewerben!

Alle Infos zum Projekt finden Sie auf der Website der FH St. Pölten.

 

Publiziert in Projektarchiv
grafik facepolitics (c) by facepolitics
Freitag, 18 September 2015

Yapes

Dieses Projekt wurde vor Einführung der Qualitätskriterien abgeschlossen.

Projektbeschreibung

Das Interesse von Jugendlichen an der Teilnahme am politischen Prozess ist in den letzten Jahren laufend gesunken. Gleichzeitig sind sie online hoch aktiv. Rund die Hälfte der jungen Facebook-Nutzer*innen konsumiert politische Nachrichten über das Netzwerk. Neben traditionellen Medien folgen sie dort auch Politikern, Parteien und NGOs und schaffen so ihren personalisierten Newsfeed.

Für die Wissenschaft ist es immer schwieriger zu erfassen, wie, wo und über welche Quellen Jugendliche mit Politik konfrontiert werden. Im Projekt YAPES gehen deshalb Jugendliche selbst dieser Frage nach, schärfen dabei ihren politischen Beobachtungssinn und leisten einen erheblichen Beitrag zur wissenschaftlichen Datenerhebung.

WasistnichPolitik cFacePolitics YAPES © Universität Wien

Wie funktioniert die Teilnahme?

Jugendliche sammeln über eine Woche ihre politischen Erfahrungen und teilen sie mit dem Forscherteam via WhatsApp oder Email. Jedes Post enthaltet 1) ein Foto (oder auch Video, Screenshot etc.) zur Dokumentation der Begegnung 2) eine Erklärung warum es sich um ein politisches Problem handelt und 3) welche Änderungen von der Politik erwartet werden.

Wie und wann kann man mitforschen?

Projektstart ist der 1. Oktober 2015, Anmeldungen von interessierten Schüler*innen und Lehrpersonen sind jederzeit willkommen! Die Anmeldungen erfolgen per email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Was passiert mit den Beiträgen?

Alle Beiträge werden selbstverständlich anonym behandelt und fließen direkt in den Forschungsprozess mit ein. Über Zwischenergebnisse halten wir alle Beteiligten über unseren Blog auf dem Laufenden! Der Blog bietet auch Raum, sich über die eigenen Erfahrungen auszutauschen, Anregungen zu posten und zu diskutieren.

Publiziert in Projektarchiv
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