Heutzutage gibt es online Plattformen für vieles: (fast) alles ist bequem von der Couch aus möglich. Mit einem Computer oder Smartphone und einem Internetzugang hat sogar jede*r die Möglichkeit in die Rolle von Wissenschaftler*innen zu schlüpfen. Über online Plattformen wird Interessierten ermöglicht, einen aktiven Beitrag zur Forschung zu leisten, in dem sie an verschiedenen Citizen Science Projekten teilnehmen. Die Mitarbeit von Freiwilligen bringt eine Vielzahl an Vorteilen für beide Seiten - Forscher*innen und Bürger*innen. Die involvierten Freiwilligen können einen Beitrag zu wissenschaftlichen Erkenntnissen leisten, erhalten Einblick in die Arbeitsbereiche von Wissenschaftler*innen und Fachwissen das jeweilige Projekt betreffend. Oft verfolgen Citizen Science Projekte Bildungsziele und werden in Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen durchgeführt. Forscher*innen profitieren von der Zusammenarbeit mit Citizen Scientists indem große, räumlich und zeitlich skalierte Datensätze generiert werden können. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wird ermöglicht und Forschung wird sichtbar gemacht.
Diese Art der Datenerhebung wird auch Crowdsourcing genannt. Eine der größten online Plattformen für Crowdsourcing in der Forschung ist Zooniverse.org. Die Hauptsitze von Zooniverse liegen mit dem Adler Planetarium in Chicago, USA, sowie an der Oxford Universität, UK. Weltweit forschen interessierte Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen auf dieser Plattform gemeinsam mit Citizen Scientists. Nach dem Motto „discover, teach and learn" können diese Freiwilligen aus einer Vielzahl an Projekten auswählen und erhalten Einblicke und Hintergrundinformationen. Mehr als zwei Millionen Interessierte beteiligten sich in den letzten 12 Jahren über Zooniverse an Forschungsprojekten weltweit und führten bisher mehr als eine halbe Milliarde (!!) Klassifizierungen durch. Sprunghafte Anstiege in der Teilnehmeraktivität wurden in jenen Wochen verzeichnet, in denen in vielen Ländern Lockdowns aufgrund der COVID-19 Pandemie verordnet wurden.
Derzeit sind ca. 100 Projekte auf der Plattform gelistet. Alle haben einen Review-Prozess durchlaufen, bevor sie online für die breite Öffentlichkeit freigeschaltet wurden. Die Vielfalt ist groß - es gibt Natur- und sozialwissenschaftliche Projekte, die Disziplinen reichen von Sprache, Kunst oder Geschichte bis hin zu Biologie, Physik und Medizin. Auch die Art der Teilnahme und die Aufgaben, die die Citizen Scientists übernehmen, sind mannigfaltig: Bilder und Videos vom Weltall werden klassifiziert, Aufnahmen von Wildkameras oder Drohnen können ausgewertet und so die Natur in Afrika oder der Antarktis erforscht werden, aber auch Zellstrukturen oder Tonaufnahmen können analysiert oder Textstellen transkribiert werden. Die Freiwilligen werten nicht nur Daten aus, im Diskussionsbereich wird diskutiert und aus der Zusammenarbeit zwischen Forschenden und den Freiwilligen ist bereits eine Vielzahl an Publikationen entstanden.
Auch das erst vor kurzem abgeschlossene Projekt „NestCams" der Konrad Lorenz Forschungsstelle, einer Core Facility der Universität Wien, hat die online Plattform Zooniverse genutzt. Das Projektteam untersuchte mit Unterstützung von Citizen Scientists das Brutverhalten der langzeit- monogamen Graugänse und der saisonal-monogamen und stark gefährdeten Waldrappe. Ziel dieser Studie ist herauszufinden, welches Verhalten der Elterntiere am Nest den Bruterfolg der beiden untersuchten Vogelarten beeinflusst. Im Jahre 2018 war beispielsweise die Graugans namens „Löwenherz" eines der erfolgreichsten Weibchen. Sie hatte alle geschlüpften Gössel bis zum flügge werden durchgebracht, während von der Graugans namens Sturmwind kein Gössel überlebte. Kameras an den Nestern der beiden Vogelarten zeichneten kurze Videosequenzen auf, die auf die Plattform Zooniverse hochgeladen und von Freiwilligen analysiert wurden. Mehr als 120.000 Videos wurden von knapp 10.000 Citizen Scientists kodiert. Um verlässliche Daten zu erhalten, wurde jedes Video von mehreren Personen analysiert. Erste Ergebnisse zur Eiwendebewegung zeigen, dass die Erfahrung der brütenden Vögel kein Einflussfaktor für dieses Verhalten war. Je höher die Temperatur desto häufiger wurde das Ei gedreht, vor allem um die Mittagszeit herum.
Im März und April 2021 wurde eine Challenge durchgeführt, bei der unter allen Citizen Scientists die sich beteiligten, schöne Preise verlost wurden. Unsere Baumwolltaschen mit NestCams Logo erreichten Citizen Scientists in Malaysia, in den USA und Großbritannien. Durch diese Challenge und die begleitende Öffentlichkeitsarbeit - unter anderem wurde in Zusammenarbeit mit Österreich forscht ein online PubQuiz zum Thema veranstaltet - konnten innerhalb von zwei Monaten 59.000 Videos klassifiziert werden. Ein großes Dankeschön an alle Teilnehmer*innen für die Beteiligung beim Kodieren der Videos und die wertvollen Beiträge und Diskussionen in der „Talk" Rubrik auf der Plattform. Kommentare, Wünsche, Anregungen und Diskussionen gab es zu mehr als 3.500 Videos:
Polarpat22" Congratulations on completing the project, I've really enjoyed doing it. It's lovely to see the goslings."
Thomm176 "I just want to mention that I think this is an excellent project for an important and uniquely beautiful bird (Northern Bald Ibis). Thank you for this study and the protection of the birds."
Geka18: I saw it in one or two other videos, and it was always Las Vegas. Maybe she is a little bit...hectic?
So far, I've only seen this behavior from Kleine Hexe.
Thomm176: There is one pair that seems stressed by the neighbors nearest the nest, and I wonder if this location has lower fledging success or if it makes no difference.
Geka18: Hufflepuff has a lot of hay in her box, while the other geese don't have much to see. Or does this impression deceive by the camera perspective?
Can you conclude from this that she takes better care of her brood?
Babajaga: I think that presence of sound may also be helpful for a better video analysis
Wir haben uns über das Interesse und die kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben sehr gefreut – wir hatten nicht damit gerechnet! Wir wünschen uns, dass das Interesse am Beobachten von Tierverhalten weiterhin als treibende Kraft für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen und Bürger*innen besteht.