Miteinander forschen - In meiner wissenschaftlichen Arbeit am Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien widme ich mich und mein Doktorat der Erforschung von Bio-Schweine-Haltungssystemen in der landwirtschaftlichen Praxis. Dabei bin ich auf das Mitwirken von Bäuerinnen und Bauern immer wieder angewiesen. Das hat mein Interesse an Citizen Science geweckt. Im vergangenen Semester bereicherten die spannenden Vorträge im Rahmen der Lehrveranstaltung „Citizen Science Seminar", organisiert von Daniel Dörler & Florian Heigl, mein Studium. (Sehr empfehlenswert! Und auch 2021 angeboten. https://www.citizen-science.at/blog/citizen-science-vortragsreihe-2021). Im Laufe der Vorträge stellte ich mir immer wieder die Frage, was motiviert Bürger*innen, mitzumachen? Und wie kann man das unterstützen? So entstand eine Seminararbeit, die der Motivation für Citizen Science auf die Spur kommen soll. Viel Vergnügen beim Lesen!
Cäcilia Wimmler
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Die Wissenschaft war und ist immer wieder auf die Beteiligung der „nicht-wissenschaftlichen" Bevölkerung an der Forschung angewiesen, was seit geraumer Zeit unter dem Begriff Citizen Science oder Bürger*innenforschung zunehmend Beachtung findet[1]. Solche „Citizen Scientist" sind Menschen, die sich freiwillig, ehrenamtlich und aus eigenem Interesse an wissenschaftlichen Projekten beteiligen. Sie haben nicht notwendigerweise eine akademische Ausbildung und sind nicht im jeweiligen Wissenschaftsbereich institutionell eingebunden. Ihr Beitrag reicht von kurzfristiger, gelegentlicher Datenerfassung, bis zu intensiver Kooperation über mehrere Jahre (Rotman et al. 2012, Bonn et al. 2016). Citizen Science geschieht an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik (Richter 2020) und verfolgt, neben dem wissenschaftlichen Zweck, Daten zu generieren und daraus Erkenntnisse abzuleiten, auch gesellschaftliche Ziele wie Bildung, Bewusstseinsförderung, Engagement, bis hin zur aktiven Gestaltung der Welt (Maund et al. 2020).
[1] Obwohl sich sowohl der englische Begriff „citizen" als auch der deutsch Begriff „Bürger*innen" üblicherweise auf einen abgegrenzten Kreis von Menschen mit bestimmten Rechten bezieht (z.B. Angehörige eines Staates), haben sich diese Begriffe etabliert und sollen hier im weitesten Sinne als „Weltenbürger*innen" verstanden werden.
Motivation ist ein breites Forschungsgebiet, das, wie viele, die Schwierigkeit klarer Terminologie mit sich bringt (Kleinginna & Kleinginna 1981). Um nicht in den Wirren komplexer Definitionen unterzugehen, soll für diese Arbeit die allgemeine Definition eines Wörterbuchs genügen:Motivation ist die „Gesamtheit der Beweggründe und Einflüsse, die eine Entscheidung, Handlung o. Ä. beeinflussen oder zu einer Handlungsweise anregen" (Dudenredaktion (Hrsg.) 2021). Diese Beweggründe könne vielfältig sein, von Freude am Sammeln und Forschen, über den Wunsch als „Normalmensch" and Wissenschaft teilzuhaben und das eigene Wissen zu erweitern, bis hin zu selbstlosem Engagement aus Hilfsbereitschaft und dem Wunsch, Veränderung hervorzurufen (Morawetz 2020, Richter 2020). Das theoretische Fundament für das Verständnis von Motivation beruht auf funktionalistischen Ansätzen. Menschen beteiligen sich mitunter an derselben Tätigkeit, um verschiedene Motivationen zu befriedigen, d.h. um verschiedene Funktionen zu erfüllen. Es geht also um ein Zusammenführen von einem inneren Antrieb des Individuums mit den äußeren Umständen einer Situation, die diese Motivation befriedigen kann (Clary & Snyder 1999). Um dieses komplexe Zusammenspiel begreifen zu können, bedient sich die Wissenschaft – wie es für sie charakteristisch ist – systematischer Klassifizierungen. Clary & Snyder (1999) unterscheiden sechs Funktionen der Freiwilligenarbeit (Tabelle 1), die sich z.T. in etwas abgewandelter Form in vielen Publikationen wiederfinden. Dabei haben sich Wertvorstellungen, Wissensdrang und persönliche Entwicklung als wichtigste Motivatoren erwiesen. Dieses Bild findet sich in anderen Studien bestätigt: Maund et al. (2020) identifizierten Werte und den Wunsch zu verstehen, als wichtigste Motivation für die Teilnahme an Citizen Science Projekten, während Karriere, Soziales und Schutz weniger häufig genannt wurden. Ähnlich beschreiben Richter et al. (2018) den Wunsch, Neues zu lernen, und den Beitrag zum Naturschutz als wichtigste Motivationen. Doch auch die Freude an der Tätigkeit und zwischenmenschliche Beziehungen hatten einen sehr hohen Stellenwert. Soziale Faktoren werden immer wieder genannt, häufig allerdings als am wenigsten motivierend, was auch davon abhängen könnte, wie intensive die zwischenmenschlichen Interaktionen in einem Projekt ausgeprägt sind (Asingizwe et al. 2020).
Der Ansatz von Clary & Snyder (1999) stellt die Einzelperson in den Fokus, die, durch die Entscheidung für einer Tätigkeit, bestimmte Motivationen zu befriedigen sucht. Eine andere weit verbreitete Klassifizierung ist die Unterscheidung von selbstbestimmten (häufig als „egoistisch" bezeichneten) und altruistischen oder kollektivistischen Motiven (Batson et al. 2002, Rotman et al. 2012, Richter 2020). Selbstbestimmte Motive stellen die persönliche Ebene eines Individuums in den Mittelpunkt, z.B. Begeisterung für eine Sache, Chancen zur Persönlichkeitsentwicklung, soziale Eingebundenheit oder Vorteile für die eigene Karriere. Hingegen beziehen sich altruistische Motive auf das Wohlergehen einer größeren Gemeinschaft, z.B. einen Beitrag (zur Wissenschaft) zu leisten, das Gefühl der Handlungsnotwendigkeit („es muss etwas getan werden"), das Bedürfnis, sich für eine größere Sache zu engagieren oder der Wunsch, für die (lokale) Umwelt etwas zu verbessern (Richter 2020). Zudem kann zwischen altruistischen („anderen helfen"), kollektivistischen („zu gemeinsamen Zielen beitragen") und prinzipalistischen Motiven (moralische Prinzipien) unterschieden werden (Batson et al. 2002). Rotman et al. (2012) konnten feststellen, dass, im Vergleich zum Engagement von Wissenschaftler*innen, Bürger*innenbeteiligung an Citizen Science Projekten häufiger auf kollektivistischen Motiven beruhte und Kollektivismus insbesondere im Verlauf des Projekts einen ebenso starken Motivationsfaktor darstellt, wie selbstbestimmte/egoistische Motivationen.
Es soll allerdings berücksichtigt werden, dass verschiedene Leute verschiedene Motivationen haben, und auch ein und dieselbe Person mehreren Motivationen zugleich folgen kann (Clary & Snyder 1999). Angesichts dessen ist die Klassifizierung von Personen oder Personengruppen anhand von Egoismus und Altruismus mit Vorsicht zu genießen, zumal sie zu einer Schubladisierung verleitet, die einer wertfreien Sichtweise auf Motivation entgegensteht. Was Bürger*innen bewegt, sich für Citizen Science zu engagieren, bleibt eine Mischung aus individuellen, persönlichen und kollektiven, selbstlosen Motiven.
Die Motivation ob, wie sehr und wie dauerhaft sich Bürger*innen in Citizen Science Projekten engagieren hängt von zahlreichen Faktoren ab, von denen auf einige hier näher eingegangen werden soll. Einerseits bringen Teilnehmende persönliche Neigungen und Eigenschaften mit, die mehr oder weniger gut zu den Projekten passen. Es hängt also vieles von der Übereinstimmung der persönlichen Motivation mit den Gegebenheiten des Projekts zusammen (Clary & Snyder 1999). Zusätzlich unterliegt Motivation einer Dynamik im Verlauf des Projekts: Was Bürger*innen dazu bewegt mitzumachen, muss nicht das Gleiche sein, was sie veranlasst dabei zu bleiben (Rotman et al. 2012, Asingizwe et al. 2020).
Sozio-demographische und personenbezogene Einflüsse wie kultureller Hintergrund, Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildung, aber auch Naturverbundenheit und Wertvorstellungen können die Motivation, bei Citizen Science Projekten mitzumachen, beeinflussen. Das Wissen um diese Einflüsse ermöglicht eine gezielte Ansprache potentieller Teilnehmender, z.B. um die Teilnehmerzahl zu vergrößern oder die gesellschaftliche Wirkung zu verstärken (Maund et al. 2020).
Maund et al. (2020) untersuchten die Motivation von Teilnehmenden in einem groß angelegten britischen Citizen Science Umwelt-Projekt mit primärer Beteiligung an Datensammlung auf einer online Plattform und fanden, dass über 90% der Beteiligten der weißen britischen Bevölkerung angehörten. Die Teilnehmenden waren eher aus den wohlhabenderen Gesellschaftsschichten, mit höherem Bildungsniveau und einem größeren Anteil an Frauen im Vergleich zum britischen Durchschnitt. In der Gruppe Teilnehmender, die systematisch und dauerhaft zur Datensammlung beitrugen, befanden sich vermehrt Pensionist*innen, während die Gruppe der Gelegenheitssammler*innen breiter aufgestellt war. Das kann darauf zurückzuführen sein, dass eine systematische Datensammlung zeitaufwändig ist und mehr Flexibilität im Alltag erfordert, was mit Berufstätigkeit schwerer zu vereinbaren ist. Zeitmangel wurde auch in anderen Publikationen als wesentliche Hürde für die Teilnahme an Citizen Science Projekten genannt (Asingizwe et al. 2020). Darüber hinaus unterscheiden sich Motivationen je nach Altersgruppe, wobei auch Art und Thema des Projekts eine Rolle spielen. Während Karrieremöglichkeiten, Lernfeude und Neugier vor allem jüngere Menschen motivieren, stehen bei älteren die Kriterien Aufwand und Nützlichkeit des Projekts im Vordergrund (Clary & Snyder 1999, Asingizwe et al. 2020). Weniger deutlich zeichnet sich das Bild hinsichtlich Geschlechterunterschiede. Studien deuten immer wieder darauf hin, dass bezüglich Motivation Geschlechterunterschiede bestehen. So fanden Asingizwe et al. (2020) Frauen eher motiviert durch die Nützlichkeit des Projekts, Neugier, geringen Aufwand und den Wunsch zu lernen, während Männer vor allem auf Anerkennung Wert legten. Allerdings betonen die Autor*innen, dass solche Unterschiede stark von der Art des Projekts beeinflusst sind. Höherer Bildungsgrad und bessere Einkommenssituation hängen häufig zusammen, und es liegt nahe, dass Menschen, die den Weg einer höheren Bildung eingeschlagen haben (bzw. einschlagen konnten) eine größere Nähe zu Wissenschaft haben. Abseits formaler Ausbildung, kann die Selbstwahrnehmung mangelnder Fähigkeiten ein Hinderungsgrund für die Beteiligung an Citizen Science Projekten sein (Asingizwe et al. 2020), was auch mit dem formalen Bildungsniveau zusammenhängen kann. Wie bereits erörtert spielen Werte eine wichtige Rolle für die Motivation. Demzufolge kann die Einstellung zum Projektthema einen erheblichen Einfluss haben (Asingizwe et al. 2020). Im Gegensatz dazu fanden Maund et al. (2020) Naturverbundenheit als wenig ausschlaggebend für die Beteiligung bei Projekten im Bereich Umweltschutz. In der Tat ist eine enge Beziehung zur Natur nicht unbedingt notwendig, um Naturschutz als wichtig zu empfinden. Darüber hinaus dürfte auch die Verbundenheit zur Wissenschaft – mehr als zum konkreten Projektthema – die Motivation beeinflussen, was sich auch in der vermehrten Teilnahme bei höherer Ausbildung widerspiegelt. Schlussendlich scheinen persönliche und sozio-demographische Faktoren allerdings wenig geeignet, um die Motivation für Beteiligung an Citizen Science Projekten grundsätzlich voraussagen zu können. Projekt-bezogene Faktoren wie soziale Einbindung, Training und Komplexität der Aufgaben dürften eher ausschlaggebend sein (Maund et al. 2020).Citizen Science Projekte können sehr vielfältig sein, was am Beispiel österreichischer Projekte zur Bienengesundheit deutlich wird (Morawetz 2020). Das Projekt „Zukunft Biene" (2015-2016, http://www.zukunft-biene.at) umfasst eine Beobachtungsstudie mit großem Aufwand für einen eher kleinen Kreis an Teilnehmer*innen, die eng in das Projekt eingebunden sind und detaillierte und individuelle Ergebnisrückmeldung erhalten. Demgegenüber richtet sich das Projekt „COLOSS Winterverlust Monitoring" (seit 2008, https://coloss.org) über viele Jahre hinweg an eine große Anzahl Teilnehmer*innen. Die geringen Teilnahmehürden (relative wenig Aufwand durch online Fragebogen) stehen dabei begrenzter Schulung und keiner Rückmeldung (individueller) Ergebnisse gegenüber. Dazwischen liegt das Projekt „Virenmonitoring" (2018-2021, https://www.ages.at/themen/umwelt/bienen/forschung/zukunft-biene/virenmonitoring/) mit etwas höheren Teilnahmehürden (Anmeldung, gewissen Kontinuität vorausgesetzt), größerer Eingebundenheit und detaillierterer Rückmeldung.
Je nach Grad der Eingebundenheit kann zwischen kontribuierenden (beitragenden), kollaborativen (mitwirkenden) und co-kreativen (mitgestaltenden) Citizen Science Projekten unterschieden werden (Bonney et al. 2009). Dementsprechend unterschiedlich sind die Motivationen, bei solchen Projekten beizutragen, mitzumachen oder mitzugestalten (UKEOF 2016). Maund et al. (2020) beschreiben einen Trend hin zu großen Citizen Science Projekten mit wenig zwischenmenschlicher Interaktion, der vor allem auf den technologischen Möglichkeiten des Internets beruht. Wenig überraschend fanden die Autor*innen Karrieremöglichkeiten und soziale Faktoren als untergeordnete Motivation. Die Teilnahme an solchen Projekten erfordert meist nur einfache Fähigkeiten und kein umfangreiches Training, daher ist die Entwicklung neuer Fähigkeiten, die für die Karriere nützlich sein könnten, sehr beschränkt. Dazu ist der direkte Kontakt zu Projektmitgliedern (Wissneschaftler*innen und anderen Teilnehmer*innen) sehr reduziert, wodurch die sozialen Faktoren weniger eine Rolle spielen. Für derartige Projekte ergeben sich zwei Optionen: 1) Den Schwerpunkt auf die hervorstechenden Motivationen (Werte und Wissbegier) zu legen, um die allgemeine Teilnahme zu steigern, oder 2) soziale Interaktion und zwischenmenschliche Beziehungen auch in großen „anonymen" Projekten zu forcieren, um auch diesen Funktionen genüge zu tun und eine breite Gesellschaftswirkung zu erzielen. Denn ein Mangel an Eingebundenheit kann auch dazu führen, dass Teilnehmer*innen das Interesse verlieren und der Lerneffekt bzw. die gesellschaftlichen Auswirkungen gering ausfallen (Druschke & Seltze 2012). Die Berücksichtigung des sozialen Netzwerks und der Eingebundenheit der Teilnehmer*inne ist besonders für Citizen Science Projekte von Bedeutung, die kontinuierliches und längerfristiges Engagement bedürfen (Richter et al. 2018). Darüber hinaus unterstützt eine enge Einbindung (z.B. schon in die Gestaltung des Projekts) die Motivation sowohl auf persönlicher als auch auf kollektiver Ebene (Asingizwe et al. 2020).
Dynamische Veränderungen der Motivation
Die Frage nach der Motivation für Bürger*innenbeteiligung besteht im Grunde aus zwei Komponenten: Warum entschließen sich Menschen mitzumachen und warum bleiben sie dabei? (Clary & Snyder 1999). In den meisten Fällen handelt es sich dabei nicht um dieselben Motive. Vielmehr variiert die Motivation im Verlauf des Projekts. Während die Entscheidung zur Teilnahme zunächst vorwiegend auf selbstbestimmten/egoistischen Motiven beruht, setzen sich im Laufe des Projekts zunehmend altruistische und kollektivistische Faktoren durch (Rotman et al. 2012, Asingizwe et al. 2020) (Abbildung 1). Zu Beginn sind die Teilnehmer*innen aus Neugier oder bereits etablierter Vertrautheit mit dem Thema interessiert, das Projekt entspricht ihnen, ihren Erfahrungen, und Werten auf einer persönlichen Ebene. Sie sehen eine Gelegenheit, ihren Wissensdurst zu stillen. Aber auch der selbstlose Wunsch, zu helfen und die Welt zu verbessern, kann durchaus von Anfang an motivierend sein (Asingizwe et al. 2020). Ob dieses Engagement fortgesetzt wird, hängt häufig davon ab, ob es Unterstützung und Wertschätzung erfährt (Rotman et al. 2012) und der Aufwand dafür als verhältnismäßig angesehen wird (Asingizwe et al. 2020). Ein zentraler Faktor für die Motivation dabeizubleiben ist die Anerkennung und Wertschätzung des geleisteten Beitrags (Rotman et al. 2012, Asingizwe et al. 2020). Auch das Einbeziehen in Form von Schulungen oder regelmäßiger Treffen kann eine Form der Anerkennung ausdrücken und die Hingabe der Teilnehmer*innen stützen. Je weiter die Zusammenarbeit im Projekt gedeiht, umso mehr rückt der Nutzen für die Gemeinschaft als Motivation in den Vordergrund. Der erfahrene Erkenntnisgewinn motiviert, über die persönliche Bereicherung mit Wissen hinausgehend, für die Sache einzutreten und diese Erkenntnisse in die direkte Umwelt oder Gemeinschaft weiterzutragen (Rotman et al. 2012). Die Teilnehmer*innen setzen ihr Engagement fort, weil sie sehen, dass ihr Beitrag nützlich ist, um die erwarteten Ergebnisse und die gewünschte Veränderung zu erzielen (Asingizwe et al. 2020). Dauerhaftes Engagement und langfristige Bereitschaft, bei Citizen Sciencen Projekten mitzuwirken, erfordern dementsprechend gute Kommunikation, Rückmeldungsmechanismen und Eingebundenheit, um den Motivationen und Erwartungen der Teilnehmenden gerecht zu werden.
Die Enge Beziehung zwischen Motivation und Kommunikation wird immer wieder deutlich unterstrichen. Nur wenn Motivationen erfüllt werden, engagieren sich die Menschen dauerhaft in Citizen Science Projekten. Dazu ist insbesondere ausreichend und begreifbare Information und Rückmeldung notwendig (Druschke & Seltze 2012, UKEOF 2016, Maund et al. 2020). Rückmeldung trägt auch zur Wertschätzung bei und vermittelt den Teilnehmenden, dass ihr Beitrag einen Sinn hat. Kein regelmäßiges Feedback zu bekommen hat einen demotivierenden Effekt; Teilnehmer*innen fühlen sich "peripher" und ihr Engagement lässt nach (Rotman et al. 2012). Die Folgen unzulänglicher Kommunikation für den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen von Citizen Science Projekten haben Druschke & Seltze (2012) eindrücklich beschrieben: Zu wenig Information zu Beginn und mangelnde Rückmeldung führte zu einer hohen Ausfallquote von 50% über einen Zeitraum von nur vier Monaten. Zudem waren am Ende des Projekts weniger Teilnehmer*innen überzeugt von dessen Sinnhaftigkeit als am Anfang. Man darf die Erwartungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden also keinesfalls unterschätzen. Einerseits sind gut aufbereitete Information, Schulungen und Rückmeldung der Ergebnisse Voraussetzung dafür, dass Teilnehmende an den Projekten lernen können und so ihren Wissensdrang befriedigen können. Sie sind aber auch Ausdruck von Anerkennung, die Teilnehmende motiviert ihr Engagement fortzusetzen (Rotman et al. 2012, Asingizwe et al. 2020). Das Citizen Science Projekt „Virenmonitoring" wies trotz relativen großen Aufwands über drei Jahre hinweg eine äußerst geringe Ausfallquote auf, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass die Ergebnisse, die die Teilnehmenden zurückgemeldet bekamen, als sehr wertvoll angesehen wurden (Morawetz 2020). Dabei spielt auch die Verständlichkeit eine entscheidende Rolle, um Fehlkommunikation und enttäuschte Erwartungen zu vermeiden (UKEOF 2016, Asingizwe et al. 2020, Morawetz 2020). Auch wenn die Motivationen nicht hundertprozentig mit den Gegebenheiten des Projekts übereinstimmen und hohe Erwartungen enttäuscht zu werden drohen, ist gerade Kommunikation und Kenntnis der Motivation besonders wichtig (UKEOF 2016, Morawetz 2020). So können Kompromisse gefunden werden auf Feedback eingegangen werden und mitunter neue Projektideen entstehen (Asingizwe et al. 2020, Morawetz 2020).
Feedback kann auch als Kommunikations- „Brücke" zwischen Wissenschaftler*innen und Freiwillen gesehen werden und trägt zum Beziehungsaufbau bei, der wiederum erfolgreiche Zusammenarbeit ermöglicht (Rotman et al. 2012). Dies ist insbesondere von Bedeutung, da die Beziehung zwischen Wissenschaftler*innen und „Normalmenschen" oft nicht ganz ausgeglichen ist. Besonders am Anfang eines Projekts herrscht bei den Teilnehmenden manchmal eine gewisse Einschüchterung oder Ehrfurcht vor den Wissenschaftler*innen vor, die mitunter als arrogant, unfreundlich und eine andere Sprache sprechend wahrgenommen werden (Rotman et al. 2012, Asingizwe et al. 2020). Das kann auf einer sehr persönlichen und subjektiven Seite eine große Hürde sein, der man nur durch offene Kommunikation und freundlich Aufgeschlossenheit begegnen kann. So berichten Rotman et al. (2012) von der positiven Überraschung von Teilnehmer*innen, dass ihre Ideen bei Wissenschaftler*innen auf aufrichtige Freude und Enthusiasmus getroffen sind. Letztlich hängt Kommunikation auch mit guter Koordination und Projektmanagement zusammen, zwei Faktoren die nicht nur den Freiwilligen die Teilnahme an Projekten erleichtern. Das muss bereits in der Planung solcher Projekte Berücksichtigung finden, um über die gesamte Dauer des Projekts genügend Kapazitäten, Zeit und Ressourcen bereitstellen zu könne, die eine funktionierende und motivierende Zusammenarbeit mit Bürger*innen gewährleisten. Denn die Motivation aufrecht zu erhalten, benötigt Zeit, finanzielle Mittel und Engagement von Seiten der wissenschaftlichen Beteiligten (Druschke & Seltze 2012, Richter et al. 2018). Bürger*innen beteiligen sich, um den Wissenschaftler*innen zu helfen, die in vielen Bereichen auf diese Hilfe angewiesen sind. Aber sie verlangen auch Teilhabe, und es liegt in der Verantwortung der Wissenschaftler*innen, die dafür nötigen Ressourcen zu berücksichtigen.Motivierte Bürger*innen sind die Voraussetzung, dass Citizen Science Projekte funktionieren. Die Motivationen dafür beruhen vor allem auf Wertvorstellungen und dem Wunsch, das eigene Wissen zu erweitern. Menschen beteiligen sich also, um zu lernen, und bestimmte Werte zu unterstützen, d.h. insbesondere an Themen, die in ihrem Leben relevant – also „wertvoll" – sind. Freiwilliges Engagement hängt dabei immer von einem komplexen Zusammenspiel aus persönlicher Motivation und umgebenden Gelegenheiten (des Projekts) ab. Eine Vielfalt an Menschen, die auch in sich mehreren Motivationen zugleich folgen können, steht einer Vielfalt an Projekten gegenüber, die sich nicht nur thematisch, sondern besonders im Grad der Eingebundenheit der Teilnehmenden unterscheiden. All das beeinflusst, ob sich Bürger*innen an Forschung beteiligen, ob sie dabeibleiben und ihr Engagement auch in Zukunft aufrecht halten werden. Es sind vor allem die intrinsischen Motivatoren wie Wissensdurst und Neugier, die Bürger*innen zum Mitforschen bewegen. Immer wieder geht es um das Bedürfnis, „einen Beitrag zur Wissenschaft zu leisten" und „Wissenschaftler*innen zu helfen". Das Bedürfnis nach Forschen und Wissen scheint also tief in den Menschen verankert zu sein – ob sie es nun zu ihrem Beruf gemacht haben oder nicht. Citizen Science Projekte sollten also nicht nur dem Erkenntnisdrang der Wissenschaftler*inne folgen, sondern auch den Ansprüchen der Bürger*innen Rechnung tragen. Dazu ist Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung unerlässlich.
Literaturverzeichnis
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