Glück im Unglück hatten zahlreiche Personen am 10.7.2017 insb. am Flughafen Schwechat, ohne es zu wissen. Am Tag genau 101 Jahre nach der größten Wirbelsturm-Katastrophe in Österreich ereignete sich im Raum Wien-Schwechat ein Unwetter, welches auch einen Tornado hervorbrachte. Bei dem Tornado 1916 in Wiener Neustadt gab es 34 Todesopfer und mehr als 300 Schwer- & Mittelschwerverletzte! Dieses Mal zog ein Tornado jedoch nur über Felder und Straßen, so kamen keine Personen zu Schaden. Der Wirbelsturm löste kurz vor den Landespisten des Flughafen Schwechats auf – nicht auszumalen, was passiert wäre, wäre der Tornado nur 1 Kilometer weitergezogen. Hier ein Rückblick der Ereignisse und wie es dazu kam.
Der 10. Juli beginnt wie zahlreiche Tage im Juli, schon am Vortag gibt es im Radio, Fernsehen & Internet die Wetteransage: „Gewitter sind im Tagesverlauf möglich, einzelne können auch kräftiger sein“. Tatsächlich befindet sich über Westeuropa ein Trog (Gebiet mit geringem Luftdruck), dadurch kommt von Südwest feuchte und warme Luft nach Österreich. Relativ unerwartet gibt es bereits in den Morgenstunden im Wiener Becken einige Schauer und Gewitter. Durch den Regen ist es in der bodennahen Luft sehr feucht. Nach den Schauern scheint überall wieder die Sonne – die Temperaturen steigen vielerorts über 30°C – es wird sehr dunstig und schwül.
Um Mittag herum lassen Meteorologen der ZAMG auf der Hohen Warte in Wien einen Wetterballon steigen, der Wetterdaten aus unterschiedlichen Höhen erfasst. Dabei wird immer klarer: heute sind heftige Gewitter möglich. Neben der hohen „Labilitätsenergie“ und der bodennahen Feuchtigkeit, herrscht auch eine ausgeprägte Winddrehung und Änderung der Windstärke in unterschiedlichen Luftschichten. All diese Indizien lassen Meteorologen & und auch die Sturmjäger und Beobachter von Skywarn vorsichtig werden – in solch einer Luft sind neben Hagelunwettern auch Tornados nicht ausgeschlossen.
Zeitlicher Ablauf:
Gegen 14 Uhr wird die Luft durch Winde gezwungen aufzusteigen. Insb. feuchte Luft strömt nun im Wiener Becken zusammen und wird gegen die Hügel vom Wiener Wald gedrückt – mächtige Haufenwolken und Gewitter entstehen. Ab 15 Uhr zieht ein kräftiges Gewitter vom Wiener Wald über den Bereich Vösendorf (SCS) im Bezirk Mödling und verstärkt sich weiter. In diesem Bereich bildet sich bereits eine rotierende abgesenkte Wolke (sogenannte Wallcloud) aus. Diese saugt immer mehr feuchte und warme Luft in das Gewitter.
Bild: (c) Manuel Weber - skywarn.at
Das Gewitter hat nun die Charakteristik einer „Superzelle“. Superzellen sind rotierende Gewitterstürme, durch ihre Dynamik leben sie wesentlich länger als normale Gewitter, zudem sind Begleiterscheinungen wie großer Hagel, Sturm, Überflutungen und – selten aber doch - Tornados möglich. Zu dieser Zeit beginnt es auch vielerorts südlich von Wien zu hageln. Auch in der Wiener Innenstadt wird kleiner Hagel beobachtet. Über das SKYWARN-Meldesystem gehen zu dieser Zeit Hagel-Meldungen im Bereich Wien-Liesing ein – die größten Hagelkörner sind über 5 cm Durchmesser groß!
Grafik: (c) Gabriel Strommer - skywarn.at
Das Gewitter zieht weiter in Richtung Ost, in Kürze wird auch in Schwechat der Verkehr durch Hagel und Starkregen zum Erliegen kommen. Um 16:15 gibt es bereits zahlreiche Gewitterwarnungen im Radio & bei Wetterdiensten. Auch 3 Skywarn-Beobachter und Sturmjäger sind zu dieser Zeit in diesem Bereich unterwegs. Mortimer Müller ist einer davon, an seinem Standort nahe Schwechat fallen nun 3cm Hagelkörner. In Schwechat selbst fallen Hagelkörner um die 8 cm vom Himmel, beschädigen zahlreiche Autos und auch Dächer!
Um 16:27 bildet sich einige Sekunden lang ein rotierender Wolkenrüssel aus und erreicht kurz den Boden ehe er verschwindet. 2 Minuten später verstärkt sich die Rotation der „Wallcloud“, ein weiterer Trichter schraubt sich zum Boden hinab. Die ausgeprägte Trichterwolke befindet sich nun am Boden – ein Tornado ist entstanden. Er zieht über Felder, aufgewirbeltes Stroh und Blätter sind auch in 2km Entfernung zu erkennen. Auch Manuel Weber und Mathias Stampfl sind einige Kilometer weiter südlich und beobachten die Zugbahn des Tornados.
16:35 – Der Tornado befindet sich nun sehr nahe am Standort von Sturmjäger Mortimer Müller – und passiert nur einige 100 m entfernt sein Auto, quert die Landestraße L2063. Hier fährt ein Auto nahe am Tornado vorbei – fast hindurch – Äste und einige Bäume entlang der Straße brechen, der Autofahrer bleibt unverletzt.
Unter diesem Link kann das Video angesehen werden!
Inzwischen wurde die Tornadomeldung mit Zugbahn Richtung Ost via Skywarn u.a. an den staatlichen Wetterdienst ZAMG & Flugwetterdienst Austrocontrol weitergeleitet. Zudem warnt Skywarn via Facebook mit einem Live-Video-Einstieg vor der Gefahr.
16:42 – Der Tornado überquert die B10 nur wenige Kilometer westlich des Flughafens. Das Brausen des Sturms ist deutlich zu vernehmen. Um 16:44 zerstört der Tornado einen Windschutzgürtel und überquert gelagerte Heuballen, die den Wirbelsturm gelb färben. Kurz danach löst sich der Tornado nur 1 km neben der Landebahn des Flughafen Schwechats auf! Ein großes Glück! Flugzeuge im Landeanflug versuchen noch vor dem Unwetter und Tornado zu landen. Das Bodenpersonal wird kurzzeitig in Sicherheit gebracht. Die gesamte Lebensdauer des Tornados betrug rund 15 Minuten. In diesem Zeitraum legte er eine Strecke von knapp 4 km zurück. Die Zugbahn war anfangs Nordosten, bald verlief sich aber nahezu in West-Ost Richtung.
Zugbahn des Tornados - Der Flughafen Wien-Schwechat wurde nur knapp verfehlt. Karte © BEV
Die anschließende Schadensanalyse von SKYWARN-Mitgliedern ergab anhand der Schäden an Bäumen und Ästen einen Tornado der Kategorie F1/T2, als Windspitzen um 180km/h.
Mithilfe der gesammelten Videoaufnahmen konnte eine erste photogrammetrische Auswertung zur Feststellung der tatsächlichen Windspitzen durchgeführt werden. Dabei wurde die Szene mit dem Fahrzeug neben dem geworfenen Nussbaum untersucht. Anhand des Trümmerflugs und des Größenvergleichs mit dem Fahrzeug kann auf die Windgeschwindigkeit rückgeschlossen werden.
Dargestellt ist jeweils der Abstand von 5 Frames (entsprechend 0,1sek). In diesem Zeitraum hat sich das rot gekennzeichnete Trümmerstück um etwa 6m verlagert, was einer Geschwindigkeit von 60 Meter pro Sekunde (216km/h) entspricht.
Das ESSL (European Severe Storm Laboratory) plant zudem, an den Videoaufnahmen weitere photogrammetrische Analysen durchzuführen, um die tatsächliche, maximale Windgeschwindigkeit des Tornados zu ermitteln. Eine Detailiertere Analyse - erstellt von Herfried Eisler, Mortimer M. Müller, Mathias Stampfl & Gabriel Strommer - finden Sie hier: http://www.skywarn.at/index.php/berichtereader/superzelle-tornado-grosshagel-wien-schwechat.html
Als politikwissenschaftliches Projekt war CODE IT! gewissermaßen ein Pionierprojekt – denn Citizen Science-Ansätze sind – anders als in den Naturwissenschaften – in den Sozialwissenschaften nicht sehr verbreitet. Als TeilnehmerInnen konnten vorrangig Jugendliche gewonnen werden, die eine umfassende Analyse zur österreichischen Impfpolitik auf Basis diskursanalytischer Methoden durchführen konnten. Eine weitere Besonderheit des Projekts war, dass es mit Hilfe eines Online Tools durchgeführt wurde, welches durch das Projektteam gestaltet wurde und nun im Sinne der „open science“ Prinzipien frei verfügbar ist (citizenscience.univie.ac.at).
Einerseits war es das Ziel des Projektes, die empirische Datenbasis zur Debatte rund um die Impfung gegen die durch Geschlechtsverkehr übertragenen und in manchen Fällen krebsauslösenden Humane Papilloma Viren (HPV) zu erweitern. Dabei wurde untersucht, mit welchen Argumenten Fachinstitutionen – etwa politische, ökonomische oder wissenschaftliche Akteure – den öffentlichen Diskurs um die HPV-Impfung in Pressemeldungen gestaltet haben. Andererseits sollte analysiert werden, inwieweit Citizen Science zur Analyse von politischen Debatten bzw. für sozialwissenschaftliche Fragestellungen im Allgemeinen herangezogen werden kann. Als Datengrundlage dienten Pressemeldungen, die einen Schwerpunkt auf der HPV-Impfung hatten und sich auf dem APA Science-Portal befanden (n= 473). Diese Pressemeldungen wurden mithilfe eines dafür entwickelten Tools online kodiert und analysiert – daher auch das Acronym CODE IT!
Die Ergebnisse bestätigen Erkenntnisse aus dem Vorprojekt zur HPV-Impfdebatte in Österreich (Paul 2016). Beispielsweise beobachten wir eine Ausklammerung von bestimmten Aspekten (Geschlecht; sexuelle Übertragung von HPV) und eine diskursive Transformation der Impfung von einer „Mädchenimpfung“ hin zu einer scheinbar neutralen, und daher politisch weniger riskanten Kinderimpfung. Zugleich bietet der entstandene Datensatz weitere Möglichkeiten zur inhaltlichen Analyse (bspw. zur politischen Kommunikation zu Gesundheitsthemen, zur Wissenschaftskommunikation in der Impfpolitik). Weiters liefert das Projekt Einsichten zur Machbarkeit von „citizen social science“ und Herausforderungen wie beispielsweise Validierung von Daten. Die Ergebnisse des Projektes, sowie die entstandene Datenbank, als auch die dafür erstellte Infrastruktur, also das Online-Tool zum kodieren, wurde offen auf der Projekthomepage (citizenscience.univie.ac.at) zur Verfügung gestellt. Der Quellcode, der die Basis bietet, ist ebenfalls online verfügbar und kann – und soll – in anderen Forschungsprojekten weiterentwickelt werden.
Paul KT (2016) “’Saving lives’: Adapting and adopting HPV vaccination in Austria.” Social Science & Medicine 153:193-200. (open access)
In dem vom FWF in der Programmlinie Top Citizen Science geförderten Projekt „Inside Trading Cultures“, was man mit „Innensicht von Handelskulturen“ übersetzen könnte, sind BürgerInnen aus St. Pölten und Umgebung Teil von sozialwissenschaftlicher Forschung des Instituts für Medienwirtschaft der FH St. Pölten auf der Frankfurter Buchmesse 2017. Das Projekt untersucht mit ethnographischen Feldforschungsmethoden die Rolle und Bedeutung von jährlich stattfindenden internationalen Handelsmessen im globalen Buchmarkt. Die Frankfurter Buchmesse als größte Messe ihrer Art nimmt dabei eine besondere Stellung ein und steht deshalb im Zentrum des Projekts.
Bewerbungs- und Auswahlverfahren achtet auf Diversität
Da für die Feldforschungsreise nach Frankfurt nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen und ein starker und nachhaltiger Partizipationsgrad im Projekt angestrebt wurde, konnten sich Bürgerinnen und Bürger bis zum 31. März 2017 zur Teilnahme am Projekt bewerben. Voraussetzung war ein grundsätzliches Interesse an den Themen Literatur und Buch bzw. der damit verbundenen Frage, wie internationale Buchmärkte oder Mediensysteme funktionieren. Die interessierten BürgerInnen mussten zudem einen kurzen Beitrag zu der Frage „Welche Rolle spielen Bücher in der heutigen Medienwelt?“ verfassen. Bei der Auswahl der TeilnehmerInnen durch die beteiligten SozialwissenschafterInnen wurde auf die vielfältigen Hintergründe (etwa bzgl. Alter, Geschlecht oder Herkunft) geachtet, da das Ziel des Citizen Science Projekts eine „Ethnographie aus unterschiedlichen Blickwinkeln“ ist. Dabei geht es vor allem darum, die komplexe gesellschaftliche Realität auf der Buchmesse unter Einbindung von Personen mit unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungshorizonten in allen Phasen des Forschungsprozesses (v. a. Beobachtung auf der Buchmesse, Analyse, Schreibprozess) zu erreichen.
Erster Workshop: Kennenlernen, Organisieren und eine Einführung in Medienwirtschaft und Buchmarkt
Beim ersten von zwei vorbereitenden Workshops an der FH St. Pölten im Mai 2017 hatten die zwölf mitforschenden BürgerwissenschafterInnen und die beteiligten SozialwissenschafterInnen die Möglichkeit sich untereinander kennenzulernen und über das Citizen Science Projekt auszutauschen.
Neben der konkreten Planung der gemeinsamen Feldforschungsreise zur Frankfurter Buchmesse im Oktober stellte zunächst Andreas Gebesmair das Dachprojekt „Trading Cultures.“ Eine Ethnographie von Handelsmessen für TV, Musik und Bücher vor, in welchem die Rolle von Content Handelsmessen vergleichend für drei Branchen der Medienindustrie untersucht wird. Anschließend präsentierte Christoph Musik die zentralen Ideen und Anliegen des Citizen Science Projekts „Inside Trading Cultures“, welches eine Erweiterung des Dachprojekts darstellt.
Im Hauptteil des ersten Workshops drehte sich alles um die Medienwirtschaft mit einem Fokus auf die Buchbranche und die Bedeutung der Buchmessen. In einem interaktiven Vortrag vermittelte Astrid Ebner-Zarl zentrale Strukturen, Akteure und Entwicklungen des Buchmarkts und gab einen Überblick über die wichtigsten Buchmessen und deren Geschichte. Immer wieder brachten sich die mitforschenden BürgerwissenschafterInnen, die zum Teil selbst in der Buchbranche (vor allem in Handel und Bibliothekswesen) tätig sind oder waren mit ihren eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen ein, sodass eine lebhafte Diskussion entstand und sich auch neue für die Forschung relevante Fragen herauskristallisierten.
Zweiter Workshop: Methodische Vorbereitung auf die Feldforschung
Beim zweiten Workshop „Einführung in die Ethnographie für BürgerwissenschafterInnen“ stand die methodische Vorbereitung für die Feldforschung auf der Frankfurter Buchmesse im Vordergrund, es drehte sich dabei alles um den Forschungsstil der Ethnographie und ihre konkreten Methoden.
Selbst die Rolle des „Teilnehmenden Beobachters“ einzunehmen, also gleichzeitig in konkreten sozialen Situationen teilzunehmen und dabei analytisch angeleitet zu beobachten was dort passiert, kann ganz schön herausfordernd sein. Im Rahmen des Workshops versuchten sich die BürgerwissenschafterInnen des Projekts zur Vorbereitung auf ihre Forschungsreise zum ersten Mal in der Feldforschung. Mit Block und Stift ausgerüstet versuchten die TeilnehmerInnen zu beobachten und zu beschreiben, was im Stadtzentrum von St. Pölten an einem Samstag Vormittag tatsächlich passiert. Doch das ist gar nicht so einfach, denn wie lässt sich Beobachtetes und Erlebtes adäquat und den gesellschaftlichen Realitäten entsprechend möglichst „objektiv“ festhalten und wiedergeben?
Diese und weitere Fragen standen bei der anschließenden gemeinsamen Reflexion im Vordergrund. Dabei zeigten sich bereits erste Vorteile des Ansatzes einer „Ethnographie aus unterschiedlichen Blickwinkeln“: Durch die hohe Anzahl und die unterschiedlichen Strategien der BeobachterInnen konnten nicht nur die verschiedenen Orte und Ecken des Stadtraumes quasi gleichzeitig berücksichtigt und gegenseitig in Bezug zueinander gestellt werden, es konnten auch widersprüchliche Wahrnehmungen festgestellt und diskutiert werden.
Aufbauend auf die umfassende und erkenntniserzeugende Reflexion präsentierte Christoph Musik den TeilnehmerInnen Forschungsmethoden und –strategien der Ethnographie, die ihre Wurzeln vor allem in der Kultur- und Sozialanthropologie, aber auch in der Soziologie der sogenannten „Chicago School“ hat. Grundbegriffe, Herausforderungen und konkrete Vorgehensweisen der Methode wurden vorgestellt und erläutert. Zum Abschluss des Workshops ging es darum, den innovativen Ansatz einer Ethnographie der verschiedenen Blickwinkel zu konkretisieren und auf die bevorstehende Feldforschung in Frankfurt anzuwenden.
Im September wird es vor der Feldforschungsreise zur Frankfurter Buchmesse ein weiteres Treffen aller Projektteilnehmer geben, um offene und organisatorische Fragen abklären zu können. Unmittelbar nach der Feldforschung finden zudem zwei weitere Workshops zu Analysestrategien und zum ethnographischen Schreiben statt, welche die Analyse- und Disseminationsarbeit in weiterer Folge des Projekts unterstützen sollen.
Projektwebsite:
https://mitforschen.fhstp.ac.at/
FWF Dachprojekt Trading Cultures:
Gegenstand des Sparkling Science Forschungsprojekts „BrotZeit. Lesachtaler Brot im intergenerationellen Dialog“ ist Brot, genauer: „der lebendige Prozess des Tradierens, der Weitergabe von Können und Wissen der Brotherstellung im Lesachtal bei gleichzeitiger Überprüfung auf die gegenwärtige Gültigkeit und Zukunftsfähigkeit“, ausgezeichnet als immaterielles Kulturerbe der Österreichischen UNESCO-Kommission. Es war Forschungsgegenstand in vielfältiger Weise, sowohl das Brot, das duftend aus dem Backofen geholt wird, als auch das Erfahrungswissen um seine Herstellung, ein nachhaltiges Element der regionalen Identität des Lesachtals. Die Erhebungsmethoden knüpften an die Alltagserfahrungen der Teilnehmenden an und ermöglichten dadurch ein Verständnis des konkreten Vorgehens. Es wurden Erhebungsmethoden entwickelt, die der konkreten Forschungssituation und den ForschungspartnerInnen im Alter von zehn bis 88 Jahren angemessen waren. So wurde der materielle Gegenstand Brot, gebacken von LesachtalerInnen, aus selbst gemahlenem Mehl von Getreide, das wieder zunehmend im Lesachtal angebaut wird, wurde „Trägerstoff“ des Projekts. Gemeinsames Tun von der Vorbereitung des Ackers, dem Säen und Ernten, Dreschen und Mahlen des Korns bis zum Backen und Verkosten des Brotes ist mit diesem „Trägerstoff“ verbunden und ermöglicht die Weitergabe und den Erwerb von Erfahrungswissen in unmittelbarer Wahrnehmung.
Als immaterielles Kulturerbe, bestehend aus dem traditionellen Wissen und den handwerklichen Fähigkeiten seiner Herstellung, ist Brot Teil der spezifischen Kultur des Lesachtales und wurde Gegenstand der Forschung, im praktischen Tun, in ZeitzeugInneninterviews, bei einem Schreibaufruf und Diskussionen in öffentlichen Erzählcafes über das Zusammenspiel zwischen Dynamik und Kontinuität der Weitergabe. Das Wissen um das Brot stand im Mittelpunkt der intergenerationellen Kommunikation zwischen SchülerInnen und BäuerInnen, die gleichzeitig als Erhebungsmethode diente und als Projektziel angepeilt wurde.
Darüber hinaus wurde die Brottradition und Brotkultur im Kontext des immateriellen Kulturerbekultur als regionale Inwertsetzung untersucht. Die nachhaltige und lebendige Bewahrung von lokalem Erfahrungswissen und ihr Beitrag zu regionaler Identität ist Ergebnis reflektierten Handelns lokaler AkteurInnen, die den Getreideanbau im Lesachtal wieder aufnehmen, Mühlen instand setzen, Backöfen restaurieren, Brot backen und Feste zum Brot veranstalten. Das Projekt hat dieses Handeln zum Projektgegenstand gemacht und in Partnerschaft mit diesen lokalen AkteurInnen die lebendige Traditionen zur Lesachtaler Brotkultur in die Schule getragen und gemeinsam mit LehrerInnen und SchülerInnen wissenschaftlich untersucht und dokumentiert. Die Darstellung, Verbreitung und Nutzung der partizipativ gewonnenen Ergebnisse zeigen eine Reihe von Besonderheiten. Die Multiperspektivität und Mehrstimmigkeit soll dabei erhalten bleiben. Ferner sollte- wie bei der Datenerhebung- visuelle und performative Darstellungsformen einen Schwerpunkt bilden. Neben einem Science Slam Beitrag entstanden von unterschiedlichen ProjektpartnerInnen Medienprodukte.
So haben die JuniorforscherInnen (SchülerInnen im Alter von 10 bis 20 Jahren) ihre Forschungsaktivitäten in einem Blog dokumentiert und reflektiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
www.lesachtalerbrot.wordpress.com
Ferner werteten sie – unter wissenschaftlicher Begleitung- Transkripte der von ihnen geführten Interviews aus und stellten die für sie besonders bemerkendwerten Ergebnisse in einem Trickfilm dar.
https://www.youtube.com/watch?v=qMKVuOSBfQE
Das Kärntner Medienzentrum für Bildung und Unterricht hat „ BrotZeit“ an den gemeinsamen Workshoptagen der Schulen mit der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt begleitet und die Forschungsaktivitäten der SchülerInnen der HLW Hermagor und der NMS Lesachtal filmisch festgehalten. Ausschnitte davon wurden mit historischen Filmdokumenten aus dem Untersuchungsgebiet verknüpft, die bei einem Schreibaufruf im Lesachtal und nach einem Erzählcafe von ZeitzeugInnen zur Verfügung gestellt wurden.
https://www.youtube.com/watch?v=tLAm_I4yPUo&t=12s
Bereits über 7.000 Personen unterstützten in den letzten beiden Jahren die österreichische Forschung im Rahmen des Citizen Science Awards. Auch dieses Jahr sind Einzelpersonen und ganz besonders Schulklassen eingeladen, Daten an Forschungsteams zu übermitteln. Die Engagiertesten werden mit Geld- und Sachpreisen ausgezeichnet.
Interessierte können an vielfältigen Fragestellungen mitarbeiten: Wie viele Eichhörnchen leben in Österreichs Landeshauptstädten? Welche Möglichkeiten der politischen Partizipation gibt es? Wie steht es um die Wasserqualität in Österreichs Bächen? Weitere Forschungsbereiche sind das Leben und Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Zentralraum Niederösterreich, die Verbreitung von Amphibien- und Reptilien sowie Strategien gegen Cyber-Attacken. Zwei weitere Projekte richten sich an spezifische Zielgruppen: Imker/innen können die Überwinterungserfolge von Bienenvölkern melden und Elementarpädagog/innen sind eingeladen, sich mit Entwicklungsauffälligkeiten bei Kleinkindern aufgrund des "Fragilen X Syndroms" zu befassen.
Mitforschen ist ganz einfach: Die Teilnehmer/innen übermitteln ihre Daten über Online-Plattformen, mit der Post oder persönlich an die Forschungsteams für die wissenschaftliche Auswertung. Besonders engagierte Citizen Scientists werden im Rahmen einer Festveranstaltung am 21. November mit den Awards prämiert. Das BMWFW stellt Schulklassen Geldpreise von bis zu 3.000 Euro für die Klassenkassa zur Verfügung. Einzelpersonen werden von den Forschungseinrichtungen mit Sachpreisen ausgezeichnet.
Als Citizen Science wird eine Arbeitsmethode bezeichnet, bei der wissenschaftliche Projekte partizipativ mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt werden. Der Citizen Science Award wird vom Zentrum für Citizen Science koordiniert. Die Service-und Informationsstelle zielt auf die Bekanntmachung und Weiterentwicklung von Citizen Science, Open Innovation und Responsible Science ab. Sie wird vom BMWFW finanziert und ist bei der OeAD-GmbH angesiedelt.
Informationen zum Mitforschen: https://www.zentrumfuercitizenscience.at/de/award
In Österreich sind wir stolz auf unsere sauberen Bäche. Und im Vergleich zu manch anderen europäischen Staaten sind sie das ja auch. Aber wie gut ist denn tatsächlich die Qualität unserer Bäche?
Gerade in unserem Land werden immer mehr Flächen als Siedlungsgebiete oder für die (Land)wirtschaft genützt. Das führt dazu, dass zunehmend Schmutzstoffe über diffuse Wege, wie Oberflächenabfluss, Straßenentwässerungen oder Erosion, in die Bäche eingetragen werden – Eintragspfade, die weder kontrolliert noch gelenkt werden können. Wird den Bächen dann zusätzlich noch jener Raum weggenommen, den sie für die Aufrechterhaltung ihrer Selbstreinigung benötigen (Uferrandstreifen, Auen, ein breites Bachbett), dann wird es kritisch.
Was können wir tun? Oft zeigt sich eine Belastung am schnellsten in den Sedimenten der Bäche. Im Projekt Wasserschafft sammeln wir deshalb Daten zur Sedimentqualität unterschiedlicher Bäche. Vor allem interessiert uns, ob sich eine Verbesserung der Gewässergestalt in belasteten Bächen positiv auf die Sedimentqualität auswirkt. Unser Projekt richtet sich an Lehrer. Wenn Sie mit Ihrer Klasse mitmachen, besuchen Sie unsere Projekthomepage: www.wasserschafft.at
Alle Klassen, die bis 31.5.2017 bei unserem Projekt mitmachen, können am Citizen Science Award des BMWFW teilnehmen. Nähere Informationen sind ab April auf zentrumfuercitizenscience.at/de/Award2017 zu finden.