Projektleiterinnen und Projektleiter sowie Citizen Scientists wünschen sich mehr persönliche Treffen und einen Austausch von Angesicht zu Angesicht. Dieser Wunsch wurde nicht nur beim Forum Citizen Science in Deutschland laut ausgesprochen, sondern manifestierte sich auch in der Session zu Citizen Science in der Ökologie diese Woche.
Von 10. bis 14. September fand in Wien die Jahresversammlung der Gesellschaft für Ökologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Seit mittlerweile vier Jahren organisieren wir in diesem Rahmen eine Session (d.h. einen Themenblock) zu Citizen Science in der Ökologie, in der wir Trends, Ergebnisse und neue Methoden in diesem Bereich vorstellen und Expertise aus ganz Europa in einen Raum bringen.
Dieses Jahr stand die Session ganz unter dem Thema Langzeit Monitoring von Biodiversität durch Citizen Science. Die medial große Wellen schlagende “Krefeld-Studie” (hier ein ausführlicher Bericht dazu von der Wochenzeitung “Die Zeit”) wurde von einem naturkundlichen Verein durchgeführt und hat stark auf das “Insektensterben” in Europa hingewiesen. Auch in unserer Session wurden Ergebnisse aus zwei Citizen Science Projekten zu Schmetterlingen (Schmetterlingsmonitoring Deutschland und Vielfalter), welche über mehrere Jahre durchgeführt wurden, präsentiert. Daneben gaben sechs Projekte zu Vögeln (Mauersegler in Wien, Verhaltensbeobachtungen von Graugänsen und Waldrappen, sowie Brutvogelatlas, Brutvogelmonitoring und ornitho.at von Birdlife Austria und eine Untersuchung zum Verschwinden von insektenfressenden Vögeln) Einblick in erste Ergebnisse und Analysen.
Fast allen gemeinsam war, dass persönliche Treffen zum gegenseitigen Lernen und Austausch als wichtigste Elemente genannt wurden, die einerseits die Datenqualität signifikant erhöhten, andererseits aber auch die Motivation der beteiligten Citizen Scientists steigerten.
Ein sehr gutes Beispiel dafür lieferte Didone Frigerio, die über die Verhaltensbeobachtungen bei Graugänsen und Waldrappen mit Schülerinnen und Schülern berichtete. Dabei wurden mehrere persönliche Treffen zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den Schülerinnen und Schülern organisiert. Zuerst trafen sie sich in den Schulklassen und erzählten von den Vögeln, z.B. wie man sie erkennt, was sie tun, welche Verhaltensweisen bekannt sind. Bei zwei weiteren Treffen wurden die Tiere dann in einem nahegelegenen Wildpark vor Ort besucht, um das zuvor theoretisch vermittelte Wissen mit der Praxis zu verbinden. Den Kindern wurden vor und nach den Treffen Videos vorgespielt, die das zu beobachtende Verhalten bei den Vögeln zeigten, und die Schülerinnen und Schüler mussten das Verhalten dann klassifizieren. Diese Ergebnisse wurden mit jenen von Expertinnen und Experten verglichen, die sich die gleichen Videos ansahen. Das Ergebnis: die Kinder lernten äußerst schnell, und waren am Ende genauso gut wie die Expertinnen und Experten (92% Übereinstimmung der Daten von Schülerinnen und Schülern mit denen der Expertinnen und Experten). Was noch überraschender war: zwischen zwei Treffen lagen die Sommerferien, und normalerweise verlernen Menschen Dinge, wenn sie länger nicht abgerufen werden. Die Kinder in dieser Untersuchung konnten ihr Wissen jedoch nicht nur halten, sondern sogar noch leicht steigern. Dies war vor allem dadurch möglich, dass das Interesse der Kinder an den Graugänsen zu stark geweckt wurde, dass sie sich auch in ihrer Freizeit mit ihnen beschäftigten.
Dies zeigt sehr eindrucksvoll, welches Potential in persönlichen Treffen liegt. Neben Wissen wird auch Begeisterung vermittelt, und dies ist für Citizen Science Projekte mitunter die wichtigste Eigenschaft, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitbringen können. Denn diese Begeisterung ist in vielerlei Hinsicht für den Erfolg eines Citizen Science Projektes wichtig. So zeigte nicht nur Norbert Teufelbauer, dass diese Begeisterung wichtig ist um eine Teilnahme an Projekten über lange Zeit zu garantieren, sondern auch Johannes Rüdisser konnte durch persönliche Treffen und Trainings einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer so für Schmetterlinge begeistern, dass sie sich eine große Artenkenntnis antrainierten und so zukünftig sogar als Experten zum Projekt beitragen können und Personen, welche neu im Projekt anfangen möchten einschulen können. Diese Beispiele deuten darauf hin, dass Begeisterung einerseits zum nachhaltigen Bestehen eines Projektes beitragen kann und andererseits die Datenqualität erhöht.
Wir können aus diesen gesammelten Erfahrungen daher nur schließen, dass Citizen Science Projekte und auch das Citizen Science Network Austria in Zukunft verstärkt auf persönliche Treffen setzen sollten um Citizen Science in Österreich weiter zu stärken.
Vortragende:
- Thomas Starkmann (Universität Wien): The common swift survey in Vienna – a citizen science approach
- Johannes Rüdisser (Universität Innsbruck): Viel-Falter becomes Butterfly Monitoring Tirol
- Didone Frigerio (Universität Wien – Konrad Lorenz Forschungsstelle): Involving pupils in long-term biological monitoring: lessons learnt and future perspectives
- Norbert Teufelbauer (BirdLife Österreich): Bird conservation – experiences from the long-lasting work of BirdLife Austria
- Elisabeth Kühn (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung): Butterfly Monitoring Germany: 13 years of flight – recording the highs and lows of a citizen science project and of butterfly populations
- Diana Bowler (Senckenberg – Biodiversität und Klima - Forschungszentrum): Species attributes associated with long-term declines of insectivorous birds in Europe
Poster:
- Silvia Winter (Universität für Bodenkultur Wien): Landscape and local garden management influence hedgehog occurence in Austrian gardens – insights from a citizen science project
- Thomas Hübner (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik): Nature’s Calendar, a modular phenological smart phone app for collection of phenological observations by citizen scientists
OrganisatorInnen der Session:
- Florian Heigl und Daniel Dörler (Universität für Bodenkultur Wien)
- Anett Richter (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit Sitz am Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)