Ein im Dezember 2020 von uns veröffentlichter Artikel beschreibt den Entwicklungsprozess der Qualitätskriterien für Citizen Science Projekte auf Österreich forscht. Der Artikel ist unter dem Titel "Co-Creating and Implementing Quality Criteria for Citizen Science" im Journal "Citizen Science: Theory and Practice" natürlich frei verfügbar. Da dieser auf Englisch veröffentlicht wurde, möchten wir hier eine deutsche Zusammenfassung geben.
Was ist "Citizen Science"? Was macht ein Citizen Science Projekt aus? Was ist kein Citizen Science Projekt und warum nicht? Welche Projekte sollen wir auf der Website listen? Warum lehnen wir es ab gewisse Projekte Citizen Science zu nennen? Diese und ähnliche Fragen begleiten uns als Koordinatoren der Plattform Österreich forscht seit der Gründung und eigentlich auch schon davor.
Schon bei der Gründung 2014 mussten wir uns Gedanken zu diesen Fragen machen und konnten auch für uns persönlich ausreichend gute Antworten finden, mit der wir die Plattform aufbauen und weiter entwickeln konnten. Doch mit den Jahren wurde die Plattform immer größer und vielfältiger. Das Netzwerk wurde ständig erweitert und schon bald wollten wir nicht mehr nach unserem persönlichen Empfinden entscheiden, welche Projekte gelistet werden und welche nicht. Dazu war uns die Entscheidung einfach zu wichtig und gleichzeitig waren wir uns der großen Verantwortung bewusst, die wir als Plattform gegenüber den Citizen Scientists haben. Aus unserer Sicht sind wir dafür verantwortlich, dass nur Projekte auf Österreich forscht gelistet sind, bei denen wir sicher sein können, dass die Citizen Scientists ihre wertvolle Zeit sicher investieren können und verantwortungsvolle Wissenschaft betrieben wird, bei denen die Ergebnisse auch wieder an die Allgemeinheit zurück fließen.
So starteten wir 2017 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Qualitätskriterien für Projekte auf Österreich forscht mit dem Ziel objektive, nachvollziehbare und vor allem auch öffentlich einsehbare Kriterien zu schaffen, die von der gesamten Plattform mitgetragen werden. Dazu luden wir alle Leiter*innen von damals gelisteten Projekten auf Österreich forscht ein, mit uns gemeinsam diese Kriterien zu entwickeln. Dieser Entwicklungsprozess ging über ein gesamtes Jahr und beinhaltete 4 Feedbackschleifen mit Projektleiter*innen die nicht direkt in der AG mitarbeiten konnten, mit der internationalen Citizen Science Community und eine öffentliche Konsultation für alle Menschen, die sich für Citizen Science interessieren (siehe Grafik unten).
Unsere zahlreichen Diskussionen in persönlichen AG Treffen wie auch online, basierten auf bereits bestehende Prinzipien für Citizen Science z.B. der European Citizen Science Association (ECSA) oder auch für Open Science, den Vienna Principles. Die AG Mitglieder kamen aus 17 unterschiedlichen Institutionen (Universitäten, Vereine, Museen, Fördergeber, uvm.) und auch aus vielen verschiedenen Fachgebieten der Natur-, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Dementsprechend fruchtbar und weitgehend waren die Diskussionen, welche Themen wie "Was ist wissenschaftliches Arbeiten" genau so behandelten, wie auch welche Möglichkeiten der offenen Wissenschaft können von den verschiedenen Fachgebieten bereits geleistet werden, ohne Projektleiter*innen zu überfordern.
Diese Vielfalt an Personen und Persönlichkeiten zeichnete sich in den Diskussionen, aber auch im Ergebnis ab. So können wir in Österreich durchaus stolz auf die 20 entwickelten Qualitätskriterien blicken, die sich daraus ergeben haben. Natürlich braucht es an der einen oder anderen Stelle noch einen Feinschliff, aber insgesamt haben wir eine großartige Leistung als Citizen Science Gemeinschaft erbracht. Diese herausragende Leistung spiegelt sich aus unserer Sicht besonders in drei Bereichen wieder:
1. Inklusion
Nach beinahe drei Jahren seit in Kraft treten der Kriterien, sind weiterhin zahlreiche Citizen Science Projekte (derzeit 52) aus unterschiedlichsten Institutionen und Gebieten auf Österreich forscht zu finden. Dies zeigt uns, dass die Kriterien nicht ausschließend sind und von allen Projekten erfüllt werden können, die dies auch möchten
2. Vorbildwirkung
Bisher sind uns zwei Institutionen bekannt, die basierend auf unserer Arbeit einen ähnlichen Prozess angestoßen und verwirklicht haben.
Die Universität Münster hat unsere Qualitätskriterien für sich adaptiert, um auszuwählen, welche Projekte auf der Universitätswebsite als Citizen Science bezeichnet werden sollen.
Das Citizen Science Center Zürich, welches gemeinsam von der Universität Zürich und der ETH Zürich geführt wird, verwendete unter anderem unsere Kriterien für die Entwicklung eigener Kriterien um Citizen Science Projekte an diesen beiden Schweizer Universitäten aufzubauen.
Darüber hinaus war es auch der explizite Wunsch der Mitglieder der im April 2019 gegründeten ECSA Arbeitsgruppe "Citizen Science Networks", die sich aus Koordinator*innen von Citizen Science Plattformen aus ganz Europa zusammensetzt, dass ähnliche Kriterien länderübergreifend auch für ihre Plattformen entwickelt werden.
3. Anstoß einer internationalen Debatte
Bereits während der Entwicklung haben wir uns darum bemüht auch international auf die Wichtigkeit unserer Arbeit hinzuweisen und gleichzeitig dazu aufgerufen, dass auch international ein Prozess gestartet wird, der zu einem gemeinsamen Grundverständnis von Citizen Science führen sollte. Dazu haben wir einerseits bereits im November 2017 im Fachjournal Nature eine "Correspondence" veröffentlicht und andererseits im April 2019 im Fachjournal PNAS eine "Opinion" geschrieben. Vor allem letztere hat eine durchaus heftige Debatte nach sich gezogen, die zuerst auf Twitter und Email-Kanälen ausgetragen und schließlich teilweise direkt im Journal veröffentlicht wurde. Diese Debatte führte aus unserer Sicht auch dazu, dass sich nun die internationale Citizen Science Community stärker mit der Frage "Was ist Citizen Science" auseinandersetzt. Dies zeigt sich z.B. in einer 2020 von Muki Haklay und Kolleg*innen durchgeführten Umfrage, als auch im Kapitel "What is Citizen Science" des kürzlich veröffentlichten Buches "The Science of Citizen Science" an dem wir mitschreiben durften.
Wir möchten uns an dieser Stelle wirklich sehr bei all unseren Kolleg*innen bedanken, die den Prozess mitgetragen, mitgestaltet und gemeinsam mit uns auch von der Theorie in die Praxis umgesetzt haben. Ohne die zutiefst engagierten Projektleiter*innen auf Österreich forscht, wäre die Citizen Science Gemeinschaft in Österreich nicht in dieser Pionierrolle, die sie international inne hat. Vielen Dank und auf weitere erfolgreiche Jahre.