In dieser Serie interviewe ich Citizen Scientists aus den verschiedensten Projekten, die auf Österreich forscht gelistet sind. Mein Ziel ist, die Vielfalt der Projekte und ihrer Teilnehmer*innen abzubilden sowie zu erforschen, wie Menschen auf Citizen Science stoßen, was für Aufgaben sie in ihren Projekten erfüllen und was sie an dieser Tätigkeit begeistert.
Diesmal habe ich mit Michael Riemann aus dem Projekt Wettermelden.at gesprochen. Unser Gespräch ist in schriftlicher Form etwas länger geworden als das letzte, aber glauben Sie mir: Es lohnt sich!
Guten Tag! Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich bin beruflich Werbegrafiker und über den Verein Skywarn Austria zu der Tätigkeit als Trusted Spotter gekommen. Im Verein habe ich Thomas Krennert [Anm.: Projektleiter Wettermelden.at] kennengelernt, der mich dann für meine Aufgaben ausgebildet hat.
Wie sind Sie auf das Projekt Wettermelden.at gestoßen?
2012 bin ich durch Zufall auf den Verein gestoßen und hab aus der Vereinsseite herausgelesen, dass man sich auch als Nicht-Wissenschaftler oder wirklich reiner Wetter-Enthusiast in die ganze Wissenschafts-Thematik einbringen kann. Dieses Konzept hat mir sehr gut gefallen.
Könnten Sie bitte kurz zusammenfassen, was für Aufgaben Sie als Wettermelder haben?
Ja, ich melde das Wetter (lacht). Also es ist prinzipiell so, dass speziell die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) eigentlich darauf ausgelegt ist, Wetterwarnungen Impact-orientiert auszugeben, d. h. sie sollte die Auswirkungen von Wetterphänomenen an die Öffentlichkeit ausgeben. Die Meteorolog*innen selbst haben, wenn wir beispielsweise den Wind hernehmen, eine Windstärke und müssen daraus mehr oder weniger errechnen oder vorhersagen, welche Auswirkung diese Windstärke haben kann. Der Sinn von uns Wetterbeobachter*innen ist der, nicht den Messwert der Windgeschwindigkeit zu melden, sondern die Auswirkung von dieser. Also ich melde zum Beispiel nicht „Es hat 70 km/h Windgeschwindigkeit", sondern „Es brechen Äste von Bäumen ab". Das erleichtert den Wissenschaftler*innen, besonders in Warnsituationen, Auswirkungen besser vorhersagen zu können oder eine bessere Verständlichkeit für die Öffentlichkeit zu erreichen. Es gibt in Summe glaube ich 193 Meldeparameter; wenn wir beim Wind bleiben, gibt es da 6 oder 7 verschiedene Parameter für die Windstärke. Das beginnt bei „Es ist windig, aber verursacht keine Schäden", die nächste Stufe ist dann „Vereinzelt sind Zweige abgebrochen", die 3. Stufe wäre „Es sind größere Äste abgebrochen" usw. Diese Meldungen geben wir ab und helfen damit den Meteorolog*innen, die Auswirkung einer Wettersituation besser einschätzen zu können.
Sie haben es schon erwähnt: Sie wurden ausgebildet. Es gibt ja mehrere Ausbildungsstufen im Trusted Spotter Network, soweit ich informiert bin – Welchen Ausbildungsgrad haben Sie?
Also Trusted Spotter ist Trusted Spotter, da gibt's eigentlich nur diese eine Stufe. Es ist aber so, dass wir als Wetterverein [Anm.: Skywarn Austria] mit der ZAMG zusammenarbeiten, und ein eigenes Wetterportal haben. Über eine Schnittstelle schicken wir diese Daten an das ZAMG-Portal. Die ZAMG hat aber auch ein eigenes Wettermelde-Formular, wo jede*r melden kann. D. h. man geht einfach auf die Website und gibt eine Meldung ab, völlig anonymisiert. Diese anonymisierte Meldung hat das Problem, dass sie möglicherweise nicht sonderlich vertrauenswürdig ist, weil man auch falsche Gegebenheiten melden könnte. Die Glaubwürdigkeit der Meldung muss dann vom Meteorologen oder der Meteorologin eingestuft werden. Bei uns als Wetterverein ist es so, dass wir ein höheres Qualitätslevel bei den Meldungen haben, weil man davon ausgeht, dass sich jedes Mitglied fürs Phänomen Wetter interessiert und das ein bisserl ernster nimmt – die Meldungen sind also vertrauenswürdiger. Die dritte Stufe ist dann das Trusted Spotter Network: Da werden wir von der ZAMG ausgebildet, in Form von einem Workshop bzw. einem Shadowing, wo man dem*der Meteorolog*in über die Schulter schaut und einen Tag lang beobachtet, wie er*sie arbeitet und vor allem wie die Meldungen verarbeitet werden. Damit wird ein gewisses Vertrauenslevel geschaffen und diese Meldungen haben noch einmal ein höheres Qualitätslevel: Es wird angenommen, dass eine Meldung stimmt. Bei Extremwettersituationen kann so gleich im Anschluss eine Warnung ausgeschickt werden, ohne dass die Meldung überprüft werden muss.
Was war bisher Ihre größte Herausforderung?
Also wirkliche Herausforderungen hat's da eigentlich gar nicht gegeben, weil das System dieses Gemeinschaftsprojekts zwischen ZAMG, ESSL [European Servere Storms Laboratory] und Skywarn Austria so toll aufgebaut ist, dass man keinerlei Vorkenntnisse braucht. Das Einzige was man braucht, ist ein Smartphone, um auf diese Wettermeldeseite zu kommen, und dann meldet man wirklich nur den Ist-Zustand. Das kann jede*r, das ist ganz einfach und simpel aufgebaut und hat einen sehr hohen Wert.
Was war bisher die spannendste Beobachtung? Oder Beobachtungen?
Wir unterscheiden da ein bisschen zwischen Spotter und Chaser: Der Spotter beobachtet von dem Platz, an dem er gerade ist, die Wettersituation und ein Chaser fährt dem Unwetter nach, dokumentiert es für die wissenschaftliche Weiterverarbeitung, und fährt vielleicht sogar in die Gewitterzelle hinein. Ich durfte mal ein Stormchaser-Team begleiten und das war sehr spannend. Die wissen genau, in welche Richtung sie fahren müssen, um diese Zelle von einer Perspektive zu sehen, wo die Wolkenstrukturen sehr spannend ausschauen. Das sind dann besonders tolle Beobachtungen.
Was ist ihr Zugang zu Citizen Science? Und hat sich dieser vielleicht im Zuge Ihrer Teilnahme am Projekt verändert?
Ich find das ganz toll, dass man als Laie die Möglichkeit hat, sich in die Wissenschaft einzubringen. Genau dieses Trusted Spotter Network ist da ein Paradebeispiel, finde ich, weil das wirklich jede*r kann. Es werden 99 % der Meldungen verarbeitet, habe ich vom Projektleiter gehört. Es besteht da auch die Möglichkeit, Fotos mitzuschicken und diese Daten werden auch wieder weiterverarbeitet. Das ist das Tolle, dass man mit so einfachen Mitteln auch als Laie vieles bewirken kann. In diesem Fall macht ja wirklich die Masse den Vorteil aus. Man hat ca. 250 Wetterstationen in Österreich; bei einer Gewitterzelle ist der Niederschlagsbereich, der Niederschlagskern, aber oft nur wenige hundert Meter breit und müsste genau über eine Wetterstation ziehen, dass man auch die Auswirkung realistisch wiedergeben kann. Bei einer menschlichen Beobachtung ist das viel leichter, weil die Person hingehen oder -fahren kann, oder es aus der Ferne sieht. Weiters können verschiedene Zustände wie etwa vereiste Straßen oder Schäden durch Hagelkörner nicht von Wetterstationen erfasst werden. Ja, also Citizen Science finde ich ganz, ganz toll.
Was würden Sie anderen raten, die sich auch bei Wettermelden.at/beim Trusted Spotter Network engagieren wollen?
Der Zugang zu einem Wetterverein ist auf jeden Fall sehr vorteilhaft, da kann ich wieder nur den Verein Skywarn Austria empfehlen. Das mach ich aus dem Grund, weil ich zufällig Obmann des Vereins bin. 😉 Ich hab' das eigentlich absichtlich am Anfang gar nicht erwähnt, weil ich das nicht zum Thema machen wollte, aber weil die Frage gerade so spezifisch ist, möchte ich gleich ein bisschen Werbung für unseren Verein machen. Wir haben die größte Wetter-Community in Österreich und in unserem Verein sind wirklich alle Leute vertreten, vom Handwerker bis zur Meteorologin, und man bekommt viel Input. Also wenn man sich fürs Wetter interessiert, ist der Zugang zu einem Wettervein eine tolle erste Anlaufstelle. Das war, wie erwähnt, auch bei mir der erste Weg. Der Verein hat mir erst die ganzen Connections ermöglicht, durch die ich zum Trusted Spotter geworden bin.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bitte gerne. Danke für die Einladung.
Wenn auch Sie Interesse daran haben, von mir zu Ihrer Tätigkeit als Citizen Scientist interviewt zu werden, können Sie sich gerne per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! melden! Ich freue mich schon auf alle weiteren Gespräche. Bleiben Sie also gespannt!
Hier kommen Sie zur Homepage des Projektes „Wettermelden.at".